Über Dumpfheimer und andere Deutsche

■ Cohn-Bendit über linke und rechte Blockaden im schwierigen "Land der vielen Kulturen"

Über Dumpfheimer und andere Deutsche

Cohn-Bendit über linke und rechte Blockaden im schwierigen „Land der vielen Kulturen“

„Jedes Gemeinwesen hat das Recht, die Einwanderung zu regulieren. Wer für die Einwanderung ist, muß auch die negativen Seiten zeigen.“ Daniel Cohn-Bendit, Dezernent für Multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, provozierte Widerspruch unter den 200 TeilehmerInnen der Diskussion im Konsul-Hackfeld-Haus. Unter dem Motto „Land der vielen Kulturen?“ sollte es um die multikulturelle Gesellschaft gehen. Das Fragezeichen im Titel sei eigentlich überflüssig, sagte Moderatorin Doris Weber — immerhin sei Deutschland längst ein Einwanderungsland. Fraglich bliebe, ob die deutsche Gesellschaft zivilisiert genug sei, viele Kulturen zu tolerieren.

An diesem Abend zur Multikultur ging es viel um deutsche Identität. Für die Bremer Psychologin Brigitte Scherer waren Anschläge auf KZ-Gedenkstätten ein Versuch, die deutsche Vergangenheit zu verdrängen. Für Helga Trüpel, Senatorin für Kultur und Ausländerintegration, stellte sich die Frage nach der Toleranz: „Wieviel Differenz können wir ertragen, wenn Integration nicht Assimilation heißen soll? Wie gehen wir mit einer Kultur um, die traditionell Frauen entmündigt? „ Darauf müßten diese Kulturen mit einer eigenen emanzipatorischen Bewegung reagieren, meinte Cohn- Bendit: „Wir müssen die Möglichkeit für eine Revolte der zweiten Generation schaffen.“ Für ihn ist „wenig deutsche Identität die Ursache für wenig Konfliktbereitschaft.“

Dany Cohn-Bendit, der Medienprofi, dominierte die Diskussionsrunde an diesem Abend. Außer einigen kleinen Differenzen waren sich die Podiumsteilnehmer in der Diskussion weitgehend einig. Cohn-Bendit monierte Denkblockaden auf der Seite der Linken, wenn versucht werde, Jugendlichen in der Schule Schuldgefühle über die deutsche Vergangenheit beizubringen. Als er geistig unbewegliche „Dumpfheimer“ auch auf der Linken ausmachte, mußte er sich aus dem Publikum einiges anhören: Ob die Entwicklung zu einem festen rechtsextremen Potential „normal“ sei, ob er den deutschen Rassismus nicht verniedliche, bis hin zu der Zuschauerin, die ihre Enttäuschung über Cohn-Bendit äußerte, weil dieser „nicht fortschrittlich“ sei.

Kultursenatorin Helga Trüpel, die sich mehrmals mißverstanden und zu Unrecht angegriffen sah, kritisierte die „Eigendynamik“ einer solchen Veranstaltung. Wenn es schon so schwer sei, sich in einer relativ homogenen Gruppe wie dieser (Cohn-Bendit: „Wir sind hier alle ja fest verankert im Antirassismus“) zu verständigen, um wieviel schwerer sei dann eine Diskussion in der gesamten Gesellschaft. Der Alt-68'er erntete Zustimmung im Saal, als er die „rassische“ Definition der Staatsangehörigkeit verurteilte und gleiche republikanische Rechte für alle Inländer forderte. Kritik mußte er sich anhören, wenn er den Dialog auch mit gewalttätigen rechten Jugendlichen anmahnte und davor warnte, „die RAF-Hatz umzukehren.“ Der Frankfurter Multi-Kulti-Referent plädierte für die Freiheit der zweiten und dritten Ausländergeneration, selbst über ihre Lebensformen zu entscheiden: „Das darf weder von der deutschen Seite, noch von den traditionellen Werten der Eltern aufgezwungen werden.“

Sauer reagierte Dany Cohn- Bendit, als er sich in der Verteidigung deutscher Identität angegriffen sah. Auf die Frage, warum er sein Buch „Abenteuer Babylon“ denn nicht mit einem Ausländer geschrieben habe, platzte dem gebürtigen Franzosen der Kragen: „Ich bin kein Deutscher, was wollt ihr eigentlich von mir?“ Bernhard Pötter