Fotodokumentation: Lynchmord an einem Palästinenser

Am 3. Dezember dokumentierte ein Fotograf der italienischen Agentur ANSA diese Szene: eine regelrechte Hinrichtung auf offener Straße, im Flüchtlingslager Shabura im Gaza-Streifen. Der palästinensische Aktivist, Yasser Abu Samahdaneh, nimmt einen anderen Mann, Jamal Fadda, fest und beschuldigt ihn der Kollaboration mit den Israelis. Dann setzt er ihm– vor zahlreichen, stummen Zuschauern und Passanten – die Pistole an die Schläfe und erschießt ihn aus nächster Nähe. „Ich bin nur ein Haschischraucher“, versuchte der Bedrohte sich zu verteidigen. Aber alles Flehen nutzte nichts. Das Bild erinnert an jenes aus dem Vietnamkrieg, auf dem der Polizeichef Saigons einen Vietkong erschießt.

Die hier dokumentierte Szene wirft Fragen auf: Warum wurden diese Bilder in Deutschland nicht gedruckt? Wie kann die Besatzungsmacht Israel eine derartige Verrohung dulden? Erstarrt der zivil-demokratische Gestus der palästinensischen Vertreter bei den Friedensgesprächen – vom Ausland wohlwollend erleichtert zur Kenntnis genommen – angesichts dieser Verhältnisse nicht zur bloßen Gebärde? Tatsache ist, daß mindestens die Hälfte der Toten, die der Aufstand der Palästinenser (Intifada) bislang forderte, auf das Konto palästinensischer Lynchjustiz geht. Insofern ist diese nur zufällig dokumentierte Sequenz emblematisch. Das Bild ging wohl nur deshalb nicht um die Welt, weil es die Illusion von einem baldigen Verhandlungsfrieden nachhaltig stört. Weil es in kein Schema von Gut und Böse paßt und weil es nichts hinterläßt als pessimistische Ratlosigkeit. Götz Aly