Berliner Insulaner gegen hinterfotzige Bonner

■ Streit um Bonner Planung für Regierungsbauten in Berlin

Bonn (taz) — So lautstark attackierten sich Bonner und Berliner schon lange nicht mehr. Nur mit „40 Jahren Insel-Dasein“ lasse sich die „Aufgeregtheit“ der Berliner erklären, schimpfte gestern Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP). Zuvor hatte der Berliner Bundessenator Peter Radunski (CDU) die Bauministerin mit den Worten angegriffen, in ihrer Planung für Regierungsbauten in Berlin offenbare sich die „übliche Bonner Hinterfotzigkeit“.

Casus belli war eine Kabinettsvorlage von Schwaetzer, in der Standorte für die Bundesministerien in Berlin festgelegt werden sollten. Um in letzter Minute Änderungen des Papiers zu erzwingen, hatte der Berliner Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) das Papier am Mittwoch unter Berliner Journalisten verteilt. Ihn empörte Schwaetzers Absicht, vier zum Teil unter Denkmalschutz stehende Gebäude in der Stadtmitte abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. So sollte für das Außenministerium ein Neubau an der Stelle der alten Reichsbank entstehen. Das ehemalige Staatsratsgebäude sollte für das Innenministerium und das heutige Gebäude der Treuhandanstalt für das Wirtschaftsministerium weichen. Sollte das Bundespresseamt nicht am Spreebogen unterkommen, wurde für dieses Amt ein Neubau auf dem Grundstück des heutigen Palastes der Republik nebst Marx- Engels-Platz vorgeschlagen — exakt auf der Fläche, auf der die Berliner CDU das alte preußische Stadtschloß wiederaufbauen will.

Schwaetzer, deren Vorlage am Mittwoch abend auch das Bundeskabinett passierte, dementierte gestern eilfertig, sich bereits auf Abrisse festgelegt zu haben. Vielmehr sei sie von der Bundesregierung beauftragt worden, zunächst „Einvernehmen“ mit dem Senat herzustellen. So würden für die in Rede stehenden Gebäude die Alternativen „Sanierung“ oder „Abriß“ zunächst unter „denkmalschützerischen, wie unter betriebswirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen“ geprüft.

Radunski sah in diesem Zugeständnis gestern einen Sieg für die Berliner. Ihnen sei es gelungen, einen entsprechenden Passus in die Kabinettsvorlage einfügen zu lassen. Wäre es bei Schwaetzers Planung geblieben, hätte dies nur die Kosten und die Dauer der Umzugsvorbereitung in die Höhe getrieben und damit den Umzugsgegnern neue Munition geliefert, fürchtete der Senat.

Schwaetzer schob die Schuld an dem Ärger gestern nicht nur auf die Berliner, sondern auch auf ihre Ministerkollegen. Die Planung von Neubauten sei auf Wunsch der betreffenden Ressorts in die Vorlage aufgenommen worden, sagte sie. Dem Vernehmen nach hatte neben Außenminister Klaus Kinkel vor allem Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (beide FDP) auf einen Neubau bestanden. Möllemanns Argument: Wenn Finanzminister Theo Waigel (CSU) mit einem neuen Gebäude versorgt werde, wolle er auch eins. Hans-Martin Tillack