Das Weihwasser des Teufels Von Ralf Sotscheck

Eine Kirche ist keine Kneipe. Für diese verblüffende richterliche Erkenntnis muß die 45jährige Kathleen Meehan aus der westirischen Grafschaft Galway jetzt zwei Monate ins Gefängnis. Das Gericht warf ihr vor, während der Kampagne vor dem Abtreibungsreferendum im November einen Gottesdienst empfindlich gestört zu haben. Meehan hatte den Pfarrer ihrer Heimatgemeinde durch ständige Zwischenrufe zum Schweigen gebracht, als dieser einen Anti-Abtreibungs-Brief seines erzbischöflichen Chefs vorlesen wollte. Nur dem beherzten Eingreifen eines zufällig anwesenden Polizeibeamten war es zu verdanken, daß die Gemeinde die Bischofsbotschaft doch noch vernehmen konnte. Strafverschärfend kam hinzu, daß Meehan den Polizisten in den Hintern trat, als er sie abführen wollte. Richter John Garavan berief sich in der Urteilsbegründung auf ein in Vergessenheit geratenes Gesetz aus dem Jahr 1860. Demnach ist es ein „strafrechtliches Vergehen, eine Kreatur zu belästigen, zu stören, zu quälen, zu ärgern oder durch irgendwelche anderen ungesetzlichen Mittel zu beunruhigen oder zu mißhandeln“, wenn diese Kreatur gerade einen Gottesdienst abhält. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – und Trunkenheit schon gar nicht. Meehans Verteidigerin hatte zur Entlastung angeführt, daß ihre Klientin gar nicht wußte, daß ihr Verhalten kriminell war. Darüber hinaus sei sie bereits jeden Vormittag voll wie eine Strandhaubitze. Der Richter ließ sich davon freilich nicht beeindrucken. „Ich weiß nicht, was man für diese unglückselige Dame tun kann“, verkündete er. „Aber sie hat die ganze Kirche in Aufruhr versetzt, und dafür muß ich eine Gefängnisstrafe verhängen.“ Ein Sprecher der katholischen Kirche erwies sich als ebenso rachsüchtig: „Alle sind so an den Ablauf der Messe und die Atmosphäre beim Beten gewöhnt, daß ein Zwischenfall sie völlig außer Fassung bringt.“ Dabei hat Kathleen Meehan noch Glück gehabt, daß der Pfarrer nicht zu drastischeren Methoden gegriffen hat – zum Beispiel zu einer Weihwasser-Attacke. Das heilige Wasser vertreibt nämlich nicht nur Vampire und andere Untote, sondern kann auch Lebende ins Jenseits befördern, wie ein junger Mann in der vergangenen Woche am eigenen Leib erfahren mußte. Er war nach einem Selbstmordversuch in ein Dubliner Krankenhaus eingeliefert worden, wo er sich auf der Intensivstation langsam erholte. Doch plötzlich entwickelte er eine bakterielle Lungenentzündung, die ihn fast umgebracht hätte. Die Ärzte standen vor einem Rätsel und stellten Untersuchungen an. Schließlich kamen sie der Ursache auf die Spur: Die Mutter des Selbstmordkandidaten hatte den Wehrlosen Tag und Nacht unwissentlich mit verseuchtem Weihwasser bespritzt. Inzwischen ist nicht nur alkoholhaltiges Teufelswasser, sondern auch alkoholfreies Weihwasser von der Intensivstation verbannt. Seitdem geht es mit dem jungen Mann wieder bergauf. Ob die Polizei gegen die bedrohliche Flüssigkeit einschreiten wird, ist bisher nicht bekannt. Die Gefahr für die Bevölkerung ist nicht zu unterschätzen, gibt es doch möglicherweise Tausende biologische Waffenlager auf der Grünen Insel – getarnt als Kirchen und Klöster.