Schlag gegen Südafrikas „Dritte Kraft“

Südafrikas Staatschef de Klerk säubert das Militär: Sechzehn hohe Offiziere, die den Reformprozeß durch Wühlarbeit behinderten, werden mit sofortiger Wirkung zwangspensioniert  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Langjährige Vermutungen, daß Teile der südafrikanischen Sicherheitskräfte versucht haben, die Demokratisierung des Landes zu verhindern, haben sich bestätigt: Präsident Frederik de Klerk kündigte am Samstag an, er habe sechzehn Militäroffiziere, darunter zwei Generäle und vier Brigadiers, mit sofortiger Wirkung zwangspensioniert. Weitere sieben Offiziere wurden beurlaubt. Der Präsident gab zu, daß ein Teil der Aktivitäten der betroffenen Offiziere Reformen behindern sollte und den Tod von Menschen verursacht habe. „Ich bin schockiert und enttäuscht, aber fest entschlossen“, sagte de Klerk. Seine Regierung werde „gegen Unregelmäßigkeiten vorgehen, um eine saubere Verwaltung zu gewährleisten“.

„Dies ist eine große Krise, die direkte Auswirkungen auf den Verhandlungsprozeß hat“, sagte der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) in seiner Reaktion auf de Klerks Ankündigung. „Es ist klar, daß es innerhalb der Sicherheitskräfte eine Dritte Kraft gibt, die Gewalt fördert, um Südafrikas Übergang zu einer gerechten und demokratischen Gesellschaft zu verhindern.“ De Klerk selbst, der seinen Sommerurlaub abbrach, um die Schritte gegen das Militär durchzuführen, betonte jedoch, daß nur wenige Offiziere betroffen seien. „Ich glaube nicht, daß diese vergleichsweise kleine Gruppe eine ,Dritte Kraft‘ ausmachen könnte“, sagte der Präsident.

Die Aktivitäten der bestraften Offiziere wurden von dem Luftwaffengeneral Pierre Steyn aufgedeckt, der seit dem 18. November im Auftrag de Klerks die Nachrichtendienste des Militärs untersucht. Steyn war berufen worden, nachdem die Kommission zur Untersuchung politischer Gewalt unter Vorsitz von Richter Richard Goldstone eine Geheimeinheit des militärischen Nachrichtendienstes unter die Lupe genommen hatte. Dabei war Goldstone auf Beweise gestoßen, daß das Militär nach wie vor die Diskreditierung des ANC plante, während de Klerk bereits mit der Organisation verhandelte.

„Diese Enthüllungen sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagte der ANC nach de Klerks Ankündigung und forderte weitere umfassende Untersuchungen der Polizei und des Militärs. Die ultrarechte Konservative Partei sprach andererseits von einer Hexenjagd und nahm die Betroffenen in Schutz.

Die Namen der gefeuerten Offiziere sollen noch vor Jahresende veröffentlicht werden. Die „zivilen Kollaborateure“ des Militärs sollen aber nicht identifiziert werden. Das, so de Klerk, sei „internationaler Brauch“. Außerdem sollen Steyns Untersuchung und die Ermittlungen der Goldstone-Kommission fortgesetzt werden. „Wir wissen, daß Unterlagen vernichtet worden sind“, sagte de Klerk. „Wir haben es nicht mit Kindern zu tun, sondern mit gutausgebildeten Leuten.“ Man habe jedoch Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um eine Vertuschung zu verhindern.

Tatsächlich wußte der Militärapparat im voraus nichts von der Ankündigung vom Samstag. „Wir alle wurden absichtlich nicht informiert“, sagte ein führender Offizier in Pretoria. Unter den Offizieren kochte am Wochenende die Gerüchteküche: Niemand wußte, wer gefeuert werden sollte. Viele der Betroffenen sind offenbar im Urlaub.

Enthüllungen über die illegalen Aktivitäten des militärischen Nachrichtendienstes (MI) haben de Klerk seit Beginn seiner Reformen 1990 zu schaffen gemacht. Das vom MI eingerichtete „Büro für zivile Zusammenarbeit“ (CCB) verübte innerhalb und außerhalb Südafrikas Morde an politischen Gegnern der Regierung. MI-Einheiten bildeten mindestens 200 Mitglieder der Zulu-Partei Inkatha militärisch aus. Sie wurden im anhaltenden Konflikt zwischen Inkatha und dem ANC eingesetzt. MI-Mitglieder bildeten zudem ein landesweites Netz von Firmen zur „Erwachsenenbildung“, bei denen Propaganda gegen den ANC verbreitet wurde. Im Nachbarland Botswana finanzierte MI eine Tageszeitung. Der ANC und andere Oppositionsgruppen glauben zudem, daß Militär und Teile der Polizei Todesschwadronen betreiben, die die blutigen politischen Kämpfe in Südafrika schüren.