Energiekonsens nur unter den Parteien?

Töpfer und das RWE wollen Gespräche über Energiekonsens ohne Umweltverbände führen/ Schröder und Möllemann sind den Ökologen grüner und fordern Beteiligung  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Der neue Konsens über die Restlebenszeit der Atomkraft in Deutschland soll nur ein Konsens der Parteien werden. Das ergibt sich aus Stellungnahmen des Bundesumweltministeriums und des Stromkonzerns RWE. Recherchen der taz bestätigten, daß dort erhebliche Bedenken gegen eine weitgehende Beteiligung der Umweltverbände an den bevorstehenden Gesprächen bestehen. Die Umweltverbände hatten in der vergangenen Woche in einem Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) und die Chefs der Energiekonzerne RWE und Veba, Friedhelm Gieske und Klaus Piltz, eine angemessene Beteiligung an diesen Gesprächen gefordert. „Ohne unsere Zustimmung wird es keinen energiepolitischen Konsens und erst recht keine Akzeptanz für die Atomenergienutzung geben“, drohten sie.

Neben der eigentlichen Kanzlerrunde über die energiepolitische Zukunft der Republik will man im Hause von Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) eine vorbereitende Gesprächsrunde aus Vertretern der SPD und der Union eröffnen, die bis zum Sommer 1993 mit einem Konsensvorschlag zu Potte kommen soll. Töpfer war von Kohl mit der Führung der Konsensgespräche beauftragt worden. Eine direkte Beteiligung der Umweltverbände an dieser Runde konnte man im Ministerium am Wochenende „nicht erkennen“: Die Runde solle nicht zu groß werden.

Beim RWE geht man zwar davon aus, daß die Besetzung der Gesprächsrunde letztlich von den einladenden Politikern bestimmt wird. Konzernchef Friedhelm Gieske habe aber schon früher betont, daß es ihm um einen „Konsens der staatstragenden Parteien“ gehe, den man einfach für Großinvestitionen brauche. In Bayern könne man heutzutage wahrscheinlich noch eine behördliche Genehmigung für ein Atomkraftwerk erhalten, in NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen sehe das einfach anders aus. Das RWE will am Konzept von Großkraftwerken festhalten. Allein mit Energieeinsparung und regenerativen Energiequellen, wie von Umweltverbänden verlangt, werde man aber auch im Jahr 2020 nicht auskommen können. „Sie werden nie einen hundertprozentigen Konsens erreichen können“, warnte ein RWE-Sprecher.

In der Hannoveraner Staatskanzlei ist man über diese Blockadepolitik überhaupt nicht glücklich. Die Beteiligung der Grünen an den Gesprächen sei ja inzwischen geklärt. Parteien, die im Bund oder in den Ländern in der Regierung vertreten sind, sollen teilnehmen dürfen – das ist die Formel. Für die Umweltverbände müsse aber eine Lösung gefunden werden. Wenn es nicht gelingen sollte, die Teilnahme der Umweltverbände offiziell durchzusetzen, will man über andere Wege nachdenken. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) teilte dazu mit, Schröder habe den Ökologen für Zweifelsfälle einen Platz mit dem SPD-Ticket zugesagt.

Einen Verbündeten hat Schröder bei diesem Anliegen ausgerechnet in Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) gefunden. Eine Töpfer-Möllemann-Schröder-Einigung über einen Energiekonsens könne man nicht als „Einigung der Gesellschaft ausgeben“, so der Minister am Wochenende. Möllemann, der bei den Gesprächen der letzten Wochen draußen vor der Tür blieb, propagiert seit Monaten eine Gesprächsrunde, in der Vertreter der Stromkonzerne und der Umweltverbände zusammensitzen. In dieser Kommission soll es auch um das Energiesparen gehen, ein Thema, das bei dem Vorstoß der Stromkonzerne ausgeklammert worden war. Ministeriumssprecher Antonio Pflüger bringt die Bedenken seines Dienstherrn auf den Punkt: Ein Konsens ohne die Verbände sei unrealistisch. „Es hilft uns da nicht, wenn wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag hinbekommen.“

Siehe Kommentar Seite 10