„Größte Heuchelei nach Ende des Weltkriegs“

■ Demonstration für bosnische Opfer

Bonn (taz) – Trotz Dauerregens versammelten sich am Sonntag in Bonn Tausende von Menschen zum Gedenken an die Opfer des Krieges in Bosnien. „Während es hier regnet, sterben jetzt in Sarajevo die Neugeborenen, weil ihnen das Wasser fehlt.“ Mit diesen Worten eröffnete CDU-MdB Stefan Schwarz seine Rede, und er erinnerte daran, daß sich angesichts des Völkermordes an den bosnischen Moslems „keiner mehr vormachen könne, er habe von allem nichts gewußt“.

Eine kroatische Mutter machte unter Tränen den Zuhörern deutlich: „Wenn jeden Tag 830 Menschen in Bosnien sterben, dann bedeutet die Tatenlosigkeit der westlichen Welt die größte Heuchelei seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Die Staaten hätten sich, so die Kroatin, zwar „bis an die Zähne bewaffnet“, seien aber nicht in der Lage, das „faschistische Serbien in die Schranken zu weisen“.

Mit aller Eindringlichkeit appellierte auch Ruth Winkler vom SPD-Parteivorstand an die „deutsche Politik“, nunmehr endlich die Frauen aus den Lagern und die Männer aus den KZs zu befreien. Sie schloß mit den Worten Willy Brandts: „Wer Unrecht lange bestehen läßt, bahnt nächstem Unrecht den Weg.“ Die Menschen auf dem Bonner Marktplatz lauschten zumeist unter Tränen und mit Kerzen in den Händen.

In Hamburg, meldet dpa ergänzend, haben mehrere hundert Frauen am Samstag gegen Massenvergewaltigungen im bosnischen Kriegsgebiet demonstriert. Mit Trillerpfeifen, kleinen Trommeln und Topfdeckeln zogen die Demonstrantinnen durch die Innenstadt.

Auf mehreren Kundgebungen verlasen die Frauen einen Text, in dem sie die Massenvergewaltigungen sowie die Brutalität von Männern in allen Kriegen verurteilten. Bundesregierung und Vereinte Nationen wurden aufgefordert, die Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen zu verfolgen und als Asylgrund anzuerkennen. Hasso Suliak