Fahrräder und Bürostühle im Schlamm

■ Hamburgs Innenstadt-Fleete zwecks Müllsichtung vom Wasser entleert / Aufgeräumt wird später

zwecks Müllsichtung vom Wasser entleert / Aufgeräumt wird später

Den ahnungslosen Spaziergängern bot sich gestern vormittag in Hamburgs City ein ungewöhnlicher Anblick: In den fünf Fleeten zwischen Alster und Elbe war das Wasser weg. Statt dessen ragten vereinzelt Fahrräder, Bürostühle, Verkehrsschilder und allerhand Bau-Schrott aus dem dunkelgrauen Schlamm.

Auf Anordnung der Umweltbehörde hatten die Schleusenmeister um 4 Uhr früh die „Schotten“ von Alsterfleet, Bleichenfleet, Neuer Wall-Fleet, Mönckedammfleet und Herrengrabenfleet zur Alster hin dichtgemacht, um nachzuprüfen, ob Bauschutt in die Kanäle gefallen sei. Mit der Ebbe liefen die fünf

1Fleete zur Freude von Schaulustigen und Möwen leer. Die Seevögel stapften hektisch auf dem Schlick herum, eifrig auf Futtersuche. Doch Fische gab es nicht zu sehen. Zutage kamen dagegen sonst vom trüben Alsterwasser umspülte und vom Modder verklebte Gebilde. Ein schäbiger Kontrast zu dem sonst so feinen Einkaufs-, Banken- und Behördenviertel.

Besonders viele Gegenstände, Blumenkästen, Verkehrsschilder, Einkaufswagen und allerhand anderer Krimskram fand sich am Grund des Fleets am Neuen Wall, direkt neben dem Musiklokal Posemuckel. „Die Disco-Besucher schmeißen alles ins Wasser, was nicht niet- und

1nagelfest ist“, beschwerte sich Schleusenmeister Görges, der seit 1971 die Wassertore an der Schaartorstraße überwacht.

Er fand es unpraktisch, daß nicht mal eine Schute bereitgestellt wurde, um den Müll einzusammeln. Doch die gestrige Trockenlegung hatte lediglich den Zweck, den Grund der Fleete zunächst einmal zu sichten. Gesäubert wird ein anderes Mal. Bei Behörden geht eben alles seinen Gang. So war denn auch der eine oder andere Foto-Journalist verzweifelt auf Motivsuche: Schlamm gabs viel, Menschen, die darin umherwateten, um Ordnung zu schaffen, dagegen kaum.

„Wir wollen den verursachenden Firmen erstmal die Möglichkeit geben, selbst den Unrat zu entfernen, bevor wir einschreiten“, sagte Silvia Schwägerl von der Umweltbehörde. Durch die starke Bauaktivität in der Innenstadt sei zu vermuten, daß in den letzten Jahren viel Bauschutt ins Wasser gefallen ist.

Zwei Mitarbeiter der Umweltbehörde gingen daraufhin die Kanäle ab, um Verursacher ausfindig zu machen. Einige Firmen nutzten die Gelegenheit, ließen ihre Siele reinigen oder reparierten die Spundwände (eine Art Erosionsschutz). Die Metallplatten, die die Fundamente der City-Häuser vor dem Wasser schützen, waren an einigen Stellen angerostet und mußten geschweißt werden.

Um 15 Uhr war das Schauspiel vorbei. Die Alsterschleusen wurden wieder geöffnet. Andrew Ruch