Nachschlag

■ „Preparadise Sorry Now“ im Freien Schauspiel

Der Bühnenraum in der Pflügerstraße, in früheren Inszenierungen oft durch Aufbauten zugestellt, überrascht durch Weite und Klarheit. Die Wände sind weiß gekachelt und mit Sprüchen vollgekritzelt. Die Zuschauer und Zuschauerinnen sitzen auf Bänken an allen vier Seiten. Neonlicht leuchtet unbarmherzig die Ecken aus. Hier liegt alles bloß; verstecken können sich die Schauspieler genausowenig wie die Besucher. Für die Dauer des Abends sind alle in diesem kalten Raum zusammengesperrt, der an öffentliche Pissoirs ebenso erinnert wie an ein Verhörzimmer oder einen Schlachthof.

„54 Szenen zugunsten einer zukünftigen Anarchie — theatralische Bilder des faschistoiden Alltags“ hat R. W. Fassbinder seinen Text „Preparadise Sorry Now“ im Untertitel genannt. Ein filmisches Szenario, in kurzen Sequenzen erzählen drei Männer und zwei Frauen Geschichten alltäglicher Grausamkeiten und Verbrechen. Die Charaktere werden nur angerissen, die Vorgänge müssen in den Köpfen der Zuschauer zu Ende gedacht werden.

Die Inszenierung von Bernd Mottl baut auf eine strenge Form, in der sich die Beteiligten auf das unbedingt Notwendige konzentrieren. Die Darsteller, alle in rote Kostüme gekleidet, sitzen zwischen den Zuschauern. Zum Spiel treten sie in den Lichtkreis in der Mitte; im Halbdunkel zwischen den Szenen tauchen sie wieder in die Anonymität ab. Schauspieler und Regisseur vermeiden Naturalismen und versuchen, das Modellhafte der Fassbinderschen Texte in Bilder umzusetzen, die immer wieder den nicht endenwollenden Kreislauf von Macht und Demütigung aufzeigen.

Im Laufe des Abends, der trotz des aufwühlenden Themas mit Längen zu kämpfen hat und dadurch an Spannung verliert, wird die Reduktion immer weiter getrieben. Szenen wiederholen sich, werden aber sprachlich und spielerisch immer weiter verknappt. Zwei Wissenschaftler tauschen sich über einen Menschenversuch aus. In der ersten Fassung ist das Versuchsobjekt mit gespreizten Beinen zwischen zwei Stühle geklemmt. In der Wiederholungsszene sind von der Frau nur noch die roten Lackpumps übrig. Verloren stehen sie im Raum, der Mensch ist nicht mehr vorhanden.

Alle Darsteller spielen mit starkem persönlichem Einsatz. Am überzeugendsten Silvia Freund und Falk Willy als englisches Mörderehepaar Ian Brady und Myra Hindley. Die Biographie dieser beiden, die auf eine authentische Geschichte aus den sechziger Jahren zurückgeht und von R. W. Fassbinder fast wörtlich nach Zeitungsmeldungen aufgeschrieben wurde, bildet die zweite Ebene der Inszenierung und zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Sibylle Burkert

„Preparadise Sorry Now“; Weitere Vorstellungen: 25.-27.12., 20 Uhr im Freien Schauspiel in der Pflügerstraße