Irre: Mafia ruft zur Gelichterkette auf! Von Mathias Bröckers

Wenn gar nichts mehr geht, wenn kein Argument mehr, sondern nur noch Glauben und Hoffen hilft, dann finden selbst unchristliche Zeitgenossen zu einem religiösen Brauch zurück: Sie zünden eine Kerze an. Mag der Alltagsverstand der Jungfrau Maria oder dem Papst in Rom auch noch so skeptisch gegenüberstehen, in Konfliktsituationen kommt ihm auch eine beliebige Heiligenfigur gerade recht, um mit einem Kerzenopfer die Dinge doch noch zu beeinflussen. Als sichtbares Zeichen dafür, daß es mit dem Wunsch ernstgemeint ist – und als Appell an eine unsichtbare, höhere Instanz. Die Lichterketten haben eine ähnliche Funktion: Die BürgerInnen geben mit ihnen ein Zeichen, daß sie es mit Toleranz und Menschenrechten ernst meinen. Da sie es nicht individuell, sondern massenhaft tun, dienen diese Zeichen vor allem der Selbstvergewisserung: Die schweigende Mehrheit bricht ihr Schweigen, sie setzt ein Signal nach außen und vergewissert sich ihrer eigenen Stärke. So notwendig solche Manifestationen eines „anderen“ Deutschland sein mögen – dem politischen Kerzenopfer scheint der entscheidende Aspekt zu fehlen: der Appell an die höhere Instanz, die in diesem Fall höchst konkret ist und deren Name durchaus ausgesprochen werden kann: Bundesregierung. Nun kann es nicht darum gehen, Stoßgebete an den Heiligen Helmut zu richten, im Gegenteil: Es geht vielmehr darum, die Scheinheiligkeit dieser Regierung nicht länger zu akzeptieren. Daß bei den Lichterketten kein Politiker reden darf, mag ein Fortschritt sein, daß keine politischen Reden gehalten werden, ist ein Rückschritt. Denn Intoleranz und Fremdenhaß sind keine Krankheiten, ihre radikalen und gewalttätigen Symptome brechen nicht aus heiterem Himmel aus – sie haben politische Ursachen, und ihre Hauptverantwortlichen sitzen in Bonn. Es waren nicht die 17jährigen, die zuerst von „Asylantenflut“ sprachen – es waren dieselben Politiker-Typen, die sich heute im Kerzenschein als echte Menschenfreunde sonnen. Sicher, so haben sie sich das nicht vorgestellt, als sie ein „blühendes Deutschland“ ausmalten und rigorose Abschottung gegen die Armut empfahlen– aber jetzt für die katastrophalen Zustände die Verantwortung zu übernehmen, danach steht keinem der Sinn. Warum auch, solange das Volk „gegen Gewalt und Rassismus“ im allgemeinen und nicht konkret gegen die geistigen Urheber der Intoleranz und Asylhetze auf die Straße geht. Der dicke Kanzler ist hinter all dem Lichtglanz sogar seit Wochen schon völlig abgetaucht. Wenn das so weitergeht, wird er auch noch den Skandal aller Skandale aussitzen: daß seine ureigene „geistick-moralische Wende“ Deutschland die Wiederkehr des braunen Sumpfs beschert hat. Nun wäre auch mit einer Engholmisierung der Verhältnisse nicht viel gewonnen. Aber daß die Chorknaben der Kohl-Regierung, unter deren Regie 250.000 Asylanträge teilweise seit Jahren unbearbeitet rumliegen, jetzt fromme Lieder gegen Ausländerfeindlichkeit singen – diesen Neujahrsansprachen-Witz sollte sich nun wirklich niemand länger bieten lassen. Letzte Meldung: Als Signal gegen den Haß bereitet die deutsche Sektion der Mafia eine Gelichterkette vor.