■ Das Portrait
: Laurent Fabius

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Foto: Reuter

„Mich hat stets beeindruckt, wie schmal der Grat ist, der den Erfolg von der Niederlage trennt“, schrieb Laurent Fabius vor Jahren in seinem Buch „Das Herz der Zukunft“. In den vergangenen Tagen hat der Parteichef der französischen Sozialisten diesen Grat überschritten. Schuld daran ist sein Wankelmut und eine politische Fehleinschätzung, die ihm in Frankreich schlicht als Feigheit angekreidet wird.

Es geht um die Verantwortung für die HIV-Infizierung von 1.500 Blutern durch verseuchte Blutpräparate. 1985, als Ärztefunktionäre und staatliche Gesundheitsbeamte wissentlich an der Verteilung des tödlichen Bluts festhielten, war Fabius Premierminister. Niemand wirft ihm persönliche Schuld an dem Skandal vor, aber nach siebenjähriger Verschleppung und Verschleierung der schlimmsten Affäre unter sozialistischer Herrschaft wünschen die Franzosen, daß endlich alle politischen Verantwortlichkeiten vor Gericht kommen. Im Einklang mit dieser Stimmung hatte Fabius wochenlang erklärt, er wolle sich zusammen mit seinen damals zuständigen MinisterInnen Dufoix und Hervé vor Gericht reinwaschen und sogar selbst um eine Anklage vor dem politischen Sondergericht bitten. Daraufhin wurden seine Charakterstärke und Solidarität gelobt. Die Opposition beschloß sogar, ihn aus der Anklageschrift herauszunehmen. Doch zwei Tage, bevor die Prozedur angekurbelt werden sollte, kam der Rückzieher: Seine Unschuld sei nun erwiesen, sagte Fabius plötzlich, Dufoix und Hervé sollten allein vor Gericht. Da machten die Sozialisten nicht mehr mit, sie stimmten dagegen.

Für sie hat sich der Parteichef aus der Verantwortung gestohlen und seine Minister fallengelassen, für viele Genossen ist er unten durch. Fabius sah sich gezwungen, seine Pirouette hastig zu vollenden und kurz darauf doch noch seine Anklage vorzuschlagen. Das wird ihm kaum helfen: Nach Wahlen im kommenden März droht ihm der Sturz als Parteivorsitzender.

Lange Zeit galt Fabius als ehrgeiziges und arrogantes Wunderkind aus wohlhabender Familie, das der leichte Erfolg verwöhnt hat. Präsident Mitterrand hatte seinen Schützling 1984 zum „jüngsten Premierminister“ des Landes ernannt — Fabius war damals 38. Die Ambition, jüngster Präsident der Republik zu werden, dürfte er zunächst mal begraben. Bettina Kaps