Nachtwachen vor Flüchtlingsheimen

■ SOS Rassismus organisiert seit vier Monaten mit Erfolg Schutz für Asylsuchende im Land Brandenburg / Flüchtlinge sollen auch tagsüber betreut werden / Infotelefon für Hilferufe und Hinweise

Kreuzberg. „Seit wir vor den Heimen stehen“, berichtet Gabi Buck von SOS Rassismus nicht ohne Stolz, „gibt es dort keine Angriffe mehr.“ Seit vier Monaten organisiert der 1990 gegründete Berliner Zweig dieser Organisation Nachtwachen vor verschiedenen Flüchtlingsheimen in Brandenburg. Allerdings nur vor jenen Unterkünften, deren Bewohner sich hilfesuchend an das Kreuzberger Büro von SOS Rassismus gewandt hatten. Zudem fahren die Mitglieder der „Arbeitsgruppe Schutzwachen“ regelmäßig die Kneipen und andere einschlägige Treffpunkte der rechtsradikalen Szene ab. Wenn sich etwas zusammenbraut, können über die Telefonkette schnell mehrere hundert Menschen alarmiert werden. Die meisten davon leben allerdings in Berlin. Die Vernetzung zwischen SOS Rassismus und anderen Gruppen in Brandenburg stecke „erst in den Anfängen“. In den Kleinstädten und Dörfern sei antirassistische Arbeit ungleich schwieriger als in Berlin: „Morddrohungen und tätliche Angriffe auf die Einrichtungen“ seien dort fast schon an der Tagesordnung. Dennoch seien bei den Nachtwachen immer mehr Brandenburger dabei.

Die Angst verhindert Kontakte

SOS Rassismus versucht, die Flüchtlinge aber auch tagsüber zu betreuen. Viele Heime, so Hannes Wagner, seien schlecht ausgestattet, es fehle an Gemeinschaftsräumen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder auch schlicht an Telefonzellen. Wenn sie telefonieren wollten, so seien die Asylsuchenden oftmals gezwungen, zehn Minuten ins Dorf zu marschieren. Folge: erhöhte Angst und verminderte Kontakte nach außen. Nicht wenige Flüchtlinge, weiß Gabi Buck, „trauen sich überhaupt nicht mehr, mit dem Zug zu fahren, weil die Bahnhöfe Treffpunkte der rechten Szene sind“. In Fürstenwalde gingen die Schwarzen nur noch zu bestimmten Zeiten und in Gruppen von mehr als sechs Personen zum Bahnhof. Erst kürzlich sei dort wieder ein schwarzer Heimbewohner überfallen wollen. Als er in einem Taxi flüchten wollte, „weigerten sich alle sechs dort parkenden Taxifahrer, ihn mitzunehmen“.

Fatal sei auch, ergänzt Renate Wilson von der Kontakt- und Beratungsstelle für außereuropäische Flüchtlinge, daß es nicht mal in den größeren Städten Beratungsstellen für Flüchtlinge gäbe. Dabei aber werde in Berlin und Brandenburg schon jetzt das sogenannte Beschleunigungsgesetz für die Verkürzung von Asylverfahren praktiziert. Ohne die Hilfe von Beratungsstellen und erfahrenen Anwälten, dafür aber mit massiven Sprachproblemen belastet, seien die Flüchtlinge vollkommen überfordert, innerhalb kürzester Frist umfangreiche Anträge zu stellen und zu begründen. Und „als ob das nicht schon reicht“, werde nun mit dem Asylkompromiß auch noch der Rest des Asylrechts abgeschafft: „Einen Asylantrag zu stellen, ist dann nur noch per Fallschirm oder vom U-Boot aus möglich.“ usche

Das Infotelefon von SOS Rassismus für nächtliche Hilferufe oder andere Hinweise ist unter der Rufnummer 6147990 zu erreichen. Es ist freitags, samstags und sonntags von 17 Uhr bis 3 Uhr morgens besetzt, werktags von 22 Uhr bis 3 Uhr.