"Stolz, Deutscher zu sein"

■ In der Jugendstrafanstalt Plötzensee sitzen 50 Rechtsradikale ein / Nationalismus nicht nur bei Deutschen

Berlin. Von den 360 in der Jugendstrafanstalt Plötzensee einsitzenden Gefangenen definieren sich 40 bis 50 als Rechtsradikale. „Diese jungen Männer sind wegen Delikten wie Raub, Diebstahl und schwerer Körperverletzungen hier und haben meist erst in der Anstalt festgestellt, daß sie stolz darauf sind, ein Deutscher zu sein.“ Wegen typisch rechtsradikaler Straftaten wie Überfällen auf Asylbewerberheime sei keiner der Gefangenen verurteilt. Die einzigen Ausnahmen: ein junger Mann aus Cottbus, der einer Wehrsportgruppe angehört haben soll, und die beiden in U-Haft sitzenden Jugendlichen, die den Hausbesetzer Silvio Meier getötet haben sollen. „Ob es sich um eine politisch motivierte Tat handelt“, so Fiedler, „muß das Gericht klären.“

Die Insassen der Jugendstrafanstalt sind im Durschnitt 22 Jahre alt und verbüßen etwa 18 Monate. In der U-Haft sitzen zur Zeit 15 Jugendliche ein, die jünger als 16 Jahre sind. „Früher war höchstens mal ein einzelner so jung“, schimpfte Fiedler auf die dafür verantwortliche Senatsjugendverwaltung. Schließlich könne die U-Haft durch eine Unterbringung in einem geschlossenen Heim, wie dem „Kieferngrund“, Pflegefamilien oder Wohngemeinschaften abgewendet werden. Obwohl der „Kieferngrund“ chronisch überfüllt sei, denke die Jugendverwaltung nicht daran, weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Haltung „stolz, ein Deutscher zu sein“ äußert sich im Jugendknast vor allem darin, daß die Jugendlichen sich die Haare abrasieren und vereinzelt fordern, in eine „rein deutsche“ Wohngruppe verlegt zu werden. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Bei uns gibt es nur gemischte Wohngruppen“, sagte Fiedler. Der Ausländeranteil in der Jugendstrafanstalt beläuft sich zur Zeit auf 30 Prozent, vertreten sind 22 Nationalitäten. „Die in Berlin geborenen Türken und Libanesen sind für uns keine Ausländer“, betonte Fiedler. Nationalistische Positionen würden aber keineswegs nur von deutschen Insassen vertreten: Türken seien gegen Kurden, Polen gegen Russen, Serben gegen Kroaten und umgekehrt.

„Unsere wichtigste Maßnahme dagegen lautet: Mischung“, sagte Fiedler. Ein Bespiel: „Der deutsche Gefangene hat keine Zigaretten mehr, will aber rauchen. Sein Nachbar hat Tabak, ist aber Türke. Dessen Nachbar wiederum hat ein Feuerzeug, ist aber Libanese. Sofort relativiert sich die Ausländerfrage.“ Das Eingeständnis, einen Ausländer nett zu finden, brächten manche Gefangene allerdings nicht über die Lippen. „Statt dessen“, so Fiedler, „wird der Freund nach dem Motto ,alle Türken sind doof, außer Mehmet‘ zum Ehrendeutschen ernannt, weil man die ausländerfeindliche Haltung so nicht aufzugeben braucht.“ Manche Berliner Türken und Libanesen verhielten sich nicht anders. So habe eine Gruppe von Türken eine Weile sämtliche deutsche Gefangene aus dem Gartenpflege-Kommando „geekelt“. Aber auch daß Deutsche, Araber und Türken zusammen andere Insassen unterdrückten, sei schon vorgekommen. „Die Bild-Zeitung machte daraus prompt: ,Ausländergruppe terrorisiert Deutsche.‘“

Die Konflikte werden laut Fiedler in Gesprächen mit den Betreuern sowie auf den wöchtlich stattfindenden Stationsvollversammlungen thematisiert. Der Anstaltsleiter bezweifelt jedoch, daß die verbale Auseindersetzung mit den rechtsradikalen Gefangenen viel bringt. „Die politische Einstellung ist doch genauso wie die Kriminalität ein Produkt ihrer Gesamtsituation.“ Sein Rezept sei, das Selbstvertrauen der Jugendlichen in der Haft ganz praktisch mit Aus- und Fortbildungen sowie sozialen Trainingskursen zu stärken. „Wenn ich selbstbewußt bin, brauche ich nicht auf den Schwächsten herumzutreten.“

In einer Hinsicht kennt die Haftanstalt jedoch kein Pardon. Sämtliche Post von rechtsextremen Organisationen wird den Gefangenen aus erzieherischen Gründen nicht ausgehändigt. Vor allem die rechtsextreme „Hilfsorganisation für nationale und politische Gefangene“ (HNG) hat nach Angaben von Fiedler in den letzten zwei Jahren auf diesem Wege schon an die zwölfmal versucht, Kontakte mit Gefangenen zu knüpfen. „Ich war eigentlich dagegen, ihnen das Material vorzuenthalten, weil mir eine Auseindersetzung über das Thema lieber gewesen wäre“, so Fiedler. Aber die Sozialarbeiter hätten ihn überredet. Plutonia Plarre