„Bau auf, bau auf, FDJ“

Der EHC Eisbären ist zwar letzter, aber hat die originellsten Anhänger der Eishockey-Bundesliga. Ein Bericht aus dem Fanherzen  ■ Von Elke Wittich

Als der Westberliner Immobilienmakler Helmut Berg den von ihm bis dato unterstützten Erstliga-Eishockeyclub Berliner BSC Preußen nach heftigem Streit verließ, sagte er Worte, die er bestimmt eine ganze Zeitlang bereut haben wird: „Euch werde ich“, sprach er nämlich, „noch zeigen, wie man einen Verein führt!“

„Bloß welchen?“ mag er sich in manch schlafloser Nacht danach angesichts mangelnder Berliner Alternativen im Eishockey gefragt haben. Bis das Schicksal in Ostberlin zuschlug. Dort kämpfte nämlich der Eishockeyclub „Dynamo“ um sein finanzielles Überleben. Berg handelte schnell: er und seine Freunde suchten Sponsoren und entwarfen Finanzierungskonzepte. Im Gegenzug hatte man nur einige kleinere Wünsche: Präsident und Schatzmeister werden und einen neuen Namen für den Club, denn Dynamo ist gleich Stasi, und in die investiert die bundesdeutsche Wirtschaft nicht so gerne. Finanziell seitdem mehr als gerettet, klappt es nun allerdings sportlich beim Aufsteiger EHC Eisbären nicht ganz nach Wunsch. Vielmehr ist man souveränes Tabellenschlußlicht. Nach den bisherigen Pleitespielen griff das entnervte Präsidium dann neben der obligatorischen Trainerentlassung zu härteren Mitteln. Neun Spieler wurden angemahnt. Dabei erwischte es ausgerechnet alle Ostler im Team. Die zogen vor Gericht, und dort mußte der Verein die Kündigungsandrohungen zurücknehmen, als wenn alles nicht so gemeint gewesen wäre.

Das Publikum sah derweil alle seine Wessis betreffende Vorurteile bestätigt: „Ausgerechnet unsere entlassen die!“ Das Publikum der Hohenschönhausener ist außergewöhnlich treu. Beinahe 4.000 kommen selbst noch nach den verheerendsten Niederlagen. Der Schlachtruf „Berlin-Ost!“ klingt außergewöhnlich trotzig, und ganz Unentwegte schwenken die DDR- Fahne.

Beim Auszug aus dem Wellblechdomizil der Eisbären erinnern sich die Fans manchmal gar der Lieder ihrer Kindheit: „Bau auf, bau auf, freie deutsche Jugend, bau auf!“ beschwören sie eine bessere Zukunft, was aber bei manchem älteren Zuschauer Widerspruch auslöst: „Damals wolltet ihr ja nicht.“

Und immer wieder wird der Verein beim alten Namen genannt: „SC Dynamo“. Auch bei Auswärtsspielen jubelt man den durchweg siegreichen Gastgeber in Grund und Boden. Beim mit 1:8 verlorenen Lokalderby gegen die Preußen verlegte man die Party gar auf den Weihnachtsmarkt am Zoo, humbahumbatäteratä vor der Gedächtniskirche, sang den Passanten Weihnachtslieder vor, forderte nachdrücklich „Ausländer bleiben, Preußen vertreiben!“ und enttarnte die begleitenden, auf alles gefaßten Ordnungskräfte: „Deutsche Polizisten, Gärtner und Floristen.“ Wenn sie schon nicht die Besten sein können, wollen sie wenigstens die Lustigsten sein.

So friedlich geht es nach Spielen in Hohenschönhausen allerdings nicht oft zu. Während sich die Vereinsoberen und ihre Freunde und Gönner in der hastig errichteten VIP-Lounge zu Sekt und delikaten Häppchen treffen und neue Spielereinkäufe und Abmahnungen planen, steht die ostdeutsche Jugend ihrer Polizei gegenüber. „Wir woll'n keine Wollwernich's, wir sind lustig und ihr nicht“, macht allerdings wenig Eindruck auf das Ordnungspersonal, das sich auch durch die Aufforderung „Bullen in die Volkswirtschaft!“ nicht von seinen Aufgaben abhalten läßt. Und die nimmt sie sehr genau. Präsident Berg mußte einen wegen der Worte „Scheiß-DEG“ verhafteten Fan eigenhändig befreien. Ob er sich dabei den Lieblingsschlachtruf der Fans („Es kann nicht jedes Arschloch ein Ostberliner sein!“) zu Herzen genommen hatte?

Die Polizei kann jedoch auch nichts am Hauptproblem nach dem Spiel ändern, denn es dauert schlicht ewig, bis die Straßenbahnen kommen, um die Zuschauer abzutransportieren. Ausreichend Zeit also, die Herren in Grün zu provozieren und sich ausgesprochen schlecht zu benehmen.

Aber Präsident Berg mag sich trösten. Der Preußen-Boß Herrmann Windler wird zwar bislang noch nicht sehr beindruckt von seiner Vereinsführung sein, aber die originelleren Anhänger besitzt auf jeden Fall der EHC Eisbären. Und die hatten beim Lokalderby den relativ einfallslos jubelnden Preußen-Fans schnell klargemacht: „Deutscher Meister wird nur die DEG!“

Und zum Trost besitzt Herr Berg bei den Preußen auch noch ein Stück Werbebande und eine Dauerkarte.