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Null kommunikative Kompetenz

■ Die Pop-Linke in Hamburg: Hermetik als Kinderkrankheit der Subkultur

Hinter einer unauffälligen Glastür zwischen zwei Sexshops auf der Reeperbahn führt eine Treppe hinunter in einen geräumigen Keller mit Siebziger-Jahre-Nischen, in dem sich ein illustrer Kreis der Hamburger Subkultur (vornehmlich aus der Sparte Musik) und einige auswärtige Gäste versammelt haben. Sie alle sind der persönlichen Einladung eines „Wohlfahrtsausschusses“ (nur an „ungemein vertrauenswürdige Bekannte“) gefolgt, um – in Reaktion auf die Bildung einer neofaschistischen Subkultur – unter dem Titel „Etwas Besseres als die Nation“, eine mögliche „politische Einflußnahme“ der kulturellen Subkultur zu diskutieren.

So heißt es jedenfalls in der Einladung des von einigen Hamburger In-Group-Kreativen (Schreibern, Musikern, Medienarbeitern etc.) gegründeten „Ausschusses“: „Wir halten es für dringend notwendig, Handlungsmöglichkeiten für eine neue antirassistische Praxis zu erarbeiten, welche die alten Probleme der Zusammenarbeit antifaschistischer Gruppen hinter sich läßt.“

Nach einigen Stunden Referaten und Diskussion im luftleeren Raum war allerdings klar, daß die anwesende Szene selbst bis zu deren Problemen noch einen weiten Weg vor sich hat. Grund hierfür ist die praktische Kommunikationsunfähigkeit der kulturschaffenden Intelligenz.

Die deutsche Subkultur, gerade die musikalische, hat sich seit Punk überwiegend mit ästhetischen Abgrenzungsleitlinien beschäftigt, mit Fragen des Stils, der Glaubwürdigkeit, der Affektgenauigkeit und der Selbstbehauptung. Noch in der vor einigen Jahren einsetzenden Fraternisierung mit dem politisch argumentierenden HipHop wurde, mangels praktischen Bezuges, nur ein subkulturelles Weltbürgertum als Haltung destilliert: intellektuelle Solidarität als Bestandteil der eigenen Credibility und somit als eine der wichtigsten Determinanten der Abgrenzung gegen die anderen, die Unwissenden, den dummen Rock-Pöbel. Ein im eigenen Mief rotierender Ghettobetrieb behandelte linke Politik als private Verschlußsache, deren Öffentlichmachung eher als peinlich empfunden wurde.

Dafür gab es gewiß schlüssige Gründe, die aber im einzelnen hier nicht zu behandeln sind. Denn das Resultat dieser jahrelangen Fortschreibung möglichst differenzierter Stilvereinbarungen und Grenzziehungen ist, daß ihre Benutzer nun, wo es um ein politisches Heimspiel geht, aus diesen Systemen nicht mehr ausbrechen können. Wohl gelingt es dem hermetischen Diskurs einer winzigen Szene, sich auf die Kategorien der Politik zu besinnen, aber schon nach kürzester Diskussion wird offenbar, daß die meisten Anwesenden sowohl zu einer handlungsleitenden Analyse des neuen Rechtsradikalismus wie zu jedweder Bündnispolitik nicht fähig oder nicht bereit sind.

Am deutlichsten bewies dies der Hamburger Musikjournalist Günther Jacob, der in einem ermüdend langen Referat, vorgetragen in drögem Seminaristendeutsch, vielfach richtige, aber in dem Zusammenhang unwichtige Ausführungen über Kapitalismus, Nationalismus und Rassismus darlegen zu müssen meinte und darüber hinaus mit seinen Attacken gegen die Legionen von Fackeldemonstranten fruchtlose Rinnen für die anschließende Diskussion gravierte.

Dem folgte Diederich Diederichsens anmutige Thesenvertiefung zu seinem Aufsatz „The Kids Are Not Alright“ (SPEX 10/92), die mit dem Vorherigen weder Ebene noch Richtung gemein hatte, aber wenigstens Inspiration bewies. Ausgehend von der Beobachtung, daß Rechte angeblich neuerdings Symbole der „linken“ Subkultur benutzen, fordert Diederichsen eine Revision der bisherigen Musikkritik; ein Gedanke, der nur im innerhäuslichen Spex- Diskurs verständlich – und dennoch nicht eben originell ist; denn Rechte haben schon seit den Zwanzigern ihre Symbole der Linken entlehnt.

Es mußte mit dem Frankfurter Andreas Fanizadeh schon ein praktischer Antifaschist zu Wort kommen, um dem hochgehängten Treffen wenigstens für eine halbe Stunde einen Moment von Verständigung zu leihen. In kurzen klaren Sätzen lehrte er Podium und Audienz, daß auch linke Politik etwas mit Pragmatismus, Organisation und Bündnistauglichkeit zu tun hat, und daß es neben dem „nationalen Identitätswahn“, dem Thema von Jacobs Vorlesung, auch einen subkulturellen gibt, der vor lauter Verschanzung hinter Feindbildern und Angst vor „falschen Koalitionen“ eine typische Splittergruppen-Mentalität entwickelt.

Doch leider war der Applaus für Fanizadeh heftiger als die Wirkung seiner Worte dauerhaft. Statt besagte „Handlungsmöglichkeiten“ zu debattieren (geplant ist vom „Wohlfahrtsausschuß“ eine Vortrags- und Konzertreise durch mehrer ostdeutsche Städte – zur Stärkung der dortigen antifaschistischen Infrastruktur), stritt man sich darüber, ob die Kerzen an der Alster nicht latent dasselbe wollen wie die Neofaschisten und wie man bei der Formulierung der eigenen Ansprüche eine so hohe Eindeutigkeit erlangt, daß letztlich nicht zwei der hier Versammelten gemeinsam eine Aktion veranstalten können.

Vielleicht ist dies das Windpokken-Stadium einer neuen Opposition der Kultur-Radikalen. Wahrscheinlicher aber ist, daß derartig kraftraubende und substanzzehrende Veranstaltungen zu einer Auflösung schon im embryonalen Zustand führen werden; denn „etwas Besseres als die Nation“ stand hier nie zur Debatte. Till Briegleb

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