Kein Weihnachten ohne Zank und Lieder

■ Viertes L'Age D'Or-Weihnachtsfestival im Zeichen innerer Richtungsstreits / Pop, HipHop und Hardcore ohne Mitsingen

im Zeichen innerer Richtungsstreits/Pop, HipHop und Hardcore ohne Mitsingen

Zum Weihnachtsfest hängt der Haussegen ein bißchen schief: Das Lable L'Age D'Or, zum vierten Mal hintereinander Veranstalter der feiertäglichen Party in der Markthalle, hatte auf einer informellen Versammlung die Vertreter der bei ihnen unter Vertrag stehenden Bands um Stellungnahmen zur Lage gebeten. Einzig Horst Petersen vom Deutsch-Hop-Projekt Mastino argumentierte mit einem sinngemäßen „Weg mit den Gitarrenbands!“ in eine gesprächsfördernde Richtung. Mit seiner Forderung steht Petersen der lockeren Mischung aus artsy Gitarren und verstiegenen Texten gegenüber, für die L'Age D'Or-Bands bisher standen.

Beim Fest wird Petersens Band zusammen mit Mitgliedern der Steilshooper Rap-Crew Easy Business nun ihren trotzigen, gesellschaftskritischen Hebel ansetzen, um unter Beweis zu stellen, daß es Wege der Neuerung gibt.

Norbert Müller, Zärtling ohne Tadel, tritt mit seiner Gitarrenband We Smile ebenfalls auf. Um für etwas mehr Bodenhaftung zu sorgen, verlegte sich Müller bei den Aufnahmen zu seiner letzten LP auf so konkrete Dinge wie das Absingen seiner Telefonnummer und den Einsatz seiner Akustikgitarre in einem Parkhaus. Für ihre Einlage planen We Smile, sich wieder auf ihr notorisch mutiges Geschrammel zu konzentrieren.

Die Fünf Freunde haben mit all dem nichts am Hut und ihr Debut- Album Inspektor, Inspektor bei der Firma Marsh Marygold veröffentlicht. Das Quintett um einen deutsch singenden Sänger poppt sich liebreizend durch Staccato- und Schunkelrhythmen, Melodien und Kehrreime.

Genaue Alltagsbeobachtungen ohne Tagebuch-Impetus, Selbstschau ohne verzerrende Dramatisierung und gut überlegte Städtebeschreibungen enthält die zweite Platte Sei á Gogo von den Lassie Singers. Die chauvinistische Behauptung eines Redakteurs der Programmzeitschrift Beats Per Minute in der Januar-Ausgabe, daß sich Frauen am besten über Männer definieren, zeigt, daß auch im Musikjournalismus „Geschlecht“ immer noch für (Toleranz-)„Grenze“ steht. Max Dax konnte sich zur Aufnahme des gelungenen Albums in seinen Jahresrückblick folglich auch nur entschließen, nachdem er dem weiblichen Trio mit Begleitung im Text eine Zankerei mit der männlich dominierten Münchner Ir- ren-Band Milch angedichtet hatte.

1Nach den Auftritten der Lassie Singers und von Mastino stellt das Konzert der Blumen am Arsch der Hölle den dritten abendlichen Höhepunkt in Aussicht. Wie mit Me-

1termaß und Salzsäure erstellt, fokussieren die Punk-Arrangements des Quartetts dessen deutsche Texte. Sehr ursprünglich verklic- kern die Blumen am Arsch der Hölle

1den verschütteten Zusammenhang von Bewußtmachung, Lebensrettung und der Forderung, Handlungsfähigkeit herzustellen.

Kristof Schreuf

1 26.12., Markthalle, „Weihnachtsmaschine“ mit den Lassie Singers, We Smile, Mastino & Easy Business, Blumen am Arsch der Hölle und Die Fünf Freunde, ab 20 Uhr.