"Da hört meine soziale Grenze auf"

■ Arbeitsgericht: DAB hat "schlechte Karten" bei Kündigung einer ABM-Kraft / Neuer Termin

„Da hört meine soziale Grenze auf“

Arbeitsgericht: DAB hat „schlechte Karten“ bei Kündigung einer ABM-Kraft / Neuer Termin

Muß ein Arbeitsgericht per Gutachten durch die Zahnärztekammer festellen lassen, ob es „der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht“, daß ein Zahnarzttermin vier Stunden kosten kann? Der Dachverband der Ausländer-Kultur-Vereine (DAB) wollte dies feststellen lassen, Arbeitsrichter Zwanziger aber winkte ab: Der Vorwurf, daß die vom DAB gefeuerte ABM-Kraft zwei Stunden nach dem Zahnarzt- Termin blau gemacht habe, sei per Gutachten nicht hinreichend zu begründen.

Wenn aber diese beiden angeblichen Fehlstunden wegfallen, dann hat die Gekündigte sich im August gerade zwei „Fehlstunden“ zu Schulden kommen lassen — das allein reiche auch nach Abmahnungen als Kündigungsgrund nicht, erklärte der Arbeitsrichter, insbesondere wenn man die „verheerenden Folgen“ für die Frau bedenke: Wenn die Kündigung ihrer ABM-Vertrages 10 Wochen vor Vertragsende bestehen bleibt, verliert sie auch den Arbeitslosengeld-Anspruch und muß mit Kind von Sozialhilfe leben.

In den drei Abmahnungen hatte der DAB der Grafikerin vor allem Verstöße gegen die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von täglich 9-17.30 Uhr vorgeworfen — nach den ausgefüllten Stundenzetteln fehlten ihr über die ersten Monate des ABM-Jahres im Durchschnitt bis zu 30 Minuten täglich. Einmal habe er sie auch mündlich angemahnt, berichtete DAB-Vorstand Mutlu dem Arbeitsgericht. Die Grafikerin habe ihm damals geantwortet, sie erziehe allein ihr Kind und alles andere sei ihr weniger wichtig. Mutlu empörte sich gestern vor Gericht: „Da hört für mich meine soziale Grenze auf.“

Der DAB hatte auch den gestörten Betriebsfrieden u.a. durch fortgesetzte kritische Äußerungen der Grafikerin über die DAB- Zeitschrift Stimme in die Abmahnungen geschrieben — und mußte sich gestern vom Arbeitsricht belehren lassen: „Der Satz Die Zusammenarbeit mit Ihnen klappt nicht ist keine Abmahnung“. Nur konkrete und damit gerichtlich überprüfbare Gründe sind arbeitsrechtlich relevant. „Da ist praktisch nichts“, faßte der Arbeitsrichter nach einer gerichtlichen Vorberatung die Ergebnisse der Schriftsätze und der mündlichen Verhandlung über die Kündigung zusammen, „und deshalb haben Sie schlechte Karten“.

Was als Kündigungsgrund ohne Abmahnung geblieben wäre, ist eine „Kompetenzüberschreitung“ der Grafikerin. An einem Tag im August habe er „alle Mitsarbeiter mündlich angewiesen“, berichtete DAB-Vorsitzende Mutlu, zu einer Gruppenbesprechung zu kommen. Die Grafikerin war nicht gekommen. Der Computer habe nicht funktioniert, die DAB-Zeitschrift „Stimme“ habe produziert werden müssen, sie habe den Computer-Fachmann bestellt, der auch tatsächlich Mängel festgestellt habe, erklärte sie vor Gericht. Aber den Fachmann hätte sie nicht bestellen dürfen, erklärte DAB-Geschäftsführerin Gule Iletmis: „Was mit Geld zu tun hat, braucht meine Unterschrift.“ Der DAB hatte zwar die Rechnung dann zwar ordnungsmäß bezahlt, die Geschäftsführerin erklärte aber, sie habe erst jetzt vor dem Arbeitsgericht erfahren, daß der Computer nicht in Ordnung gewesen sein soll.

Als Begründung für eine Kündigung reichte dem Arbeitsrichter die erreichbare Klarheit über diesen Tag im August auch nicht aus. Er setzte dem DAB eine Frist bis zum 15. Januar, um neue Kündigungs-Begründungen nachzuschieben. K.W.

3. Folge: 10.2., 9 Uhr, Arbeitsgericht