Auf der Suche nach einer Willy-Brandt-Straße

■ Ausnahmeregelung von der gesetzlichen Frist/ Vorschlag im Januar erwartet

Berlin. Die Stadt Paris hat den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt bereits geehrt und eine Straße nach ihm benannt. In Berlin müßte der berühmteste Nachkriegspolitiker der Stadt noch fünf Jahre warten, bevor er gewürdigt werden könnte. Diese Frist schreibt das Berliner Straßengesetz vor. Um den mißlichen Zustand zu beenden, haben sich nun SPD und CDU darauf verständigt, für den früheren Regierenden Bürgermeister eine Ausnahmeregelung zu schaffen, um in Kürze eine Straße oder einen Platz nach ihm benennen zu können.

Strittig ist allerdings noch, welcher Ort der Stadt zukünftig den Namen Willy Brandts tragen soll. Der geschäftsführende SPD-Landesvorstand sucht bereits eine Lösung für dieses knifflige Problem. Ihm liegen zwei Vorschläge aus der eigenen Partei vor. Der Weddinger Kreisvorsitzende Hans Nisblé will die Brunnenstraße umbenennen, immerhin sei dies der Wahlkreis Willy Brandts gewesen. Ein entsprechender Antrag wird zur Zeit in der BVV beraten. Dererlei Überlegungen findet man jedoch in der SPD-Zentrale in der Müllerstraße zu lokalpatriotisch gefärbt. Für den ehemaligen Ehrenvorsitzenden der Partei müsse, nach Ansicht von Parteisprecher Michael Donnermeyer, eine repräsentative Straße gefunden werden.

Diesem Kriterium entspricht schon eher die Straße, die in ihrem südlichen Teil nach dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm und in ihrem nördlichen Teil nach dem ersten Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, benannt ist. Für letzteren wird schon seit längeren ein Ersatz auf den Straßenschildern gesucht, mit der zwischenzeitlich favorisierten „Toleranz“ ist man im Bezirk allerdings auch nicht mehr so glücklich. Die BVV Mitte beschloß nun vor wenigen Wochen, der Straße den Namen Willy Brandts zu geben. Auch dieser Vorschlag findet nicht die einhellige Gegenliebe der SPD- Spitze, will man doch vermeiden, daß Brandt zur Entsorgung des ungelösten Benennungsproblems der doppelt belasteten Straße herhält.

Mehr Zustimmung findet bei der SPD der Vorschlag, der Straße des 17.Juni ehrenhalber den Namen ihres ehemaligen Vorsitzenden zu geben. Doch stößt dieses Vorhaben auf Widerstand bei der CDU. Fraktionschef Klaus Landowsky will sich zwar zu der Frage zur Zeit nicht äußern, doch hat er dem SPD-Vorsitzenden Ditmar Staffelt bereits Ablehnung signalisiert. Ein Kompromiß, mit dem sowohl CDU als auch SPD leben könnten, wäre allerdings gefunden, wenn bloß ein Teil der Magistrale nach Willy Brandt benannt würde, zum Beispiel der Abschnitt zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor. Zwar steht kein Gebäude an diesem Abschnitt, das die neue Adresse haben könnte, doch würde sich, so Donnermeyer, mit dem Ernst-Reuter-Platz, der Straße des 17.Juni und der sich anschließenden Willy-Brandt-Straße ein Stück Wegstrecke deutscher Geschichte manifestieren.

Über diese und mögliche andere Varianten will der SPD-Landesvorstand am 18.Januar beraten. Bei dieser Sitzung werden auch die betroffenen Kreise vertreten sein. Donnermeyer rechnet mit einem vernünftigen Ergebnis ohne vorherigen Hickhack. dr