Wegweiser über die Feiertage

■ Was tun, wenn an Heiligabend keine Familie wartet?/ Angebote für Alleinstehende und Hilfesuchende/ Von der Telefonseelsorge bis zum Ärztlichen Notfalldienst

Berlin. Das Familienfest Weihnachten ist für all jene ein Problem, die keine Familie haben. Laut Statistischem Jahrbuch leben über 500.000 Menschen in Berlin alleine, sehr viele von ihnen notgedrungen. Heilsarmee-Divisionschef Ralf Metzger weiß aus jahrzehntelanger Erfahrung, daß der Wunsch nach Geborgenheit, das Bedürfnis von den Mitmenschen angenommen zu werden, an keinem Tag größer ist als an Heiligabend.

Wie jedes Jahr lädt die Heilsarmee deshalb am 24. Dezember die Einsamen ein, zu ihren Treffpunkten zu kommen. Sie finden sich am Prenzlauer Berg, in der Kuglerstraße11 (18 Uhr bis 23 Uhr), in Friedenau, Fregestraße 12 (16 bis 19 Uhr) und in Wedding, Koloniestraße 129 (16 bis 21 Uhr) Eine vorherige Anmeldunge ist nicht erforderlich, bei der Heilsarmee wird jeder mit offenen Armen empfangen.

Das Telefon als letzte Rettung

Schwierig wird es für die Menschen, denen als letztes Notsignal nur noch der Griff zum Telefonhörer bleibt. Die populärste Einrichtung ist in Berlin die überkonfessionelle Telefonseelsorge, Nummer 11101, erreichbar jeden Tag rund um die Uhr. Am Heiligabend sind die Leitungen dort fast überbelastet, sagt Geschäftsführer Jürgen Hesse. Normalerweise erhalten die Mitarbeiter 60 Anrufe pro Tag, am Heiligabend mindestens 180. „Wir können die Probleme nicht lösen“, sagt der Diplompsychologe, aber „für viele ist der Notanruf bei uns wieder ein Schritt Richtung Leben.“

60 Prozent der Anrufe stammen von Frauen. Der Unterschied zwischen Männer- und Frauenanrufen läge nicht in der Zahl, sondern in der Dringlichkeit, meint der Psychologe. Männer greifen in der Regel erst dann zum Hörer, wenn „sie sich wirklich am Ende fühlen“. Die Frauen seien offener, würden „auch fünf vor zwölf“ um Hilfe bitten. „Wir moralisieren nicht“, sagt Hesse, „sondern arbeiten realitätsnah.“ Oft rufen auch suizidgefährdete Menschen an, gerade am Weihnachtsabend.

Für diese Verzweifelten nehmen sich die Mitarbeiter sehr viel Zeit, meistens gelingt es ihnen, die Anrufenden vom Vorhaben abzubringen. Die ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeiter – alle sind mindestens anderthalb Jahre für ihre Aufgabe qualifiziert worden – haben ständig eine Liste von allen Kriseninterventionsstationen und psychiatrischen Einrichtungen vor dem Telefon liegen. „Wir sind keine Polizei“, betont Hesse, jeder Anruf bleibt vertraulich.

Wo Kinder Hilfe finden

Rund um die Uhr geöffnet haben – gerade während der Feiertage – sämtliche Hilfeeinrichtungen für Kinder und Jugendliche. Das wären der Kindernotdienst in der Gitschiner Straße48/49, (610061), der Jugendnotdienst in der Mindener Straße 14 (344026), der Mädchennotdienst in der Tschaikowskistraße 13 (4824023), das SleepIn in Alt-Stralau (5588460) und das Haus Treptow für alleinstehende minderjährige AsylbewerberInnen (2138487). „Weihnachten herrscht leider Hochbetrieb“, sagt der Leiter des Kindernotdienstes, „aber bisher haben wir für jedes Kind“ einen Platz und Ansprechpartner gefunden.

Wenn der Kopf verrückt spielt

Psychiatrische Noteinrichtungen gibt es in jedem Stadtteil. Leider sind die allerwenigsten von ihnen ab Abend zu erreichen. Ab 18Uhr haben es die Hilfesuchenden schwer, betreut zu werden. Ausnahmen sind die Einrichtungen in Charlottenburg (3205455), die suchtmittelfreie Selbsthilfeorganisation in Pankow (Brehestraße 57, kein Telefon), das Kontaktzentrum in Berlin46, Kamenzer Damm1 (79042680), die Kontakt- und Begegnungsstätte im S- Bahnhof Schöneberg, Eberstraße67, (7841730 und 7881459), die Alternative Freizeit, am Falkenhausenweg71a, (7754444) und die Einrichtungen für Alkoholkranke KOWO, Wegener Straße1/2 (875996) sowie die Anonyme Alkoholkrankenhilfe in Bezirk37, Königstraße2 (8025080).

Doktoren in Bereitschaft

Im Einsatz sind auch die ärztlichen Notfalldienste. Auf Anforderung können Ärzte zu Hausbesuchen gerufen werden. Im Ostteil der Stadt ist die Zentrale unter 2809128 und im Westteil unter 310031 zu erreichen. Die Erste- Hilfe-Stationen der Kassenärztlichen Vereinigung sind zwischen 7 und 22 Uhr in der Kreuzberger Graefestraße 89, in der Brüsseler Straße 52a im Wedding, und in der Albrecht-Achilles-Straße64 in Wilmersdorf geöffnet. Unter 31003399 können PatientInnen erfahren, welche Arztpraxen geöffnet sind. Das Krisen- und Beratungszentrum KUB in der Schöneberger Apostel-Paulus-Straße hat die Nummer 7818585 und ist am Heiligabend bis 24 Uhr besetzt.

Arbeiterwohlfahrt

Weihnachtsfeiern für Alleinstehende und Senioren veranstaltet wie jedes Jahr die Arbeiterwohlfahrt. Aber hier ist meistens eine telefonische Anmeldung erforderlich. Ausnahmen sind die Feiern in Schöneberg, Goltzstraße 19, am Prenzlauer Berg in der Seniorenfreizeitstätte Friedrichshain 15, und im Klub der Volkssolidarität, Brauhausstraße10.

Kirche als Zufluchtsort

Erst Andachten und dann Weihnachtsfeiern für die Einsamen zelebrieren auch fast sämtliche evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in der Stadt. Die Gemeinden bitten aber um telefonische Anmeldung, wir verweisen auf das Telefonbuch. Anita Kugler