Jede ist ein Kerze für sich

Die Kerzenindustrie freut sich über Lichtermeere gegen Ausländerhaß/ Aber der Umsatz steigt nur leicht/ Industriestudie verneint Dioxingefahr  ■ Von Bascha Mika

Berlin (taz) – Wenn einem ein Licht aufgeht, freut man sich. Wenn tausend Lichter aufgehn, freut sich die Kerzenindustrie. In den vergangenen Wochen strahlte es gleich hunderttausendfach – zum Wohle der Ausländer. Welch ein demokratisches Feuer ohne Ansehen des Paraffins. Die Kerzen(trägerInnen) leuchteten aber nicht nur den Ausländerhassern heim, sondern entfachten auch einen kleinen Brand der Sympathie bei Walter Schütz vom Verband Deutscher Kerzenhersteller.

„Diese kleinen, niedlichen Kerzlein“, schwärmt der Verbandsvertreter. „Wir sind so begeistert von den Bildern, vor allem von denen aus der Luft.“ Weniger begeistert ist Schütz von einer Warnung, die kürzlich von der Verbraucherzentrale Niedersachsen verbreitet wurde: Dioxinrisiko bei lila gefärbten Paraffin-Kerzen.

90 Prozent aller Kerzen, die in der Bundesrepublik hergestellt werden, bestehen aus dem Erdölprodukt Paraffin. Der Rest aus Stearin und dem „außerordentlich kostbaren Bienenwachs“ (Schütz). Immerhin eine knappe Milliarde Wachslichter werden pro Jahr hergestellt: 75.000 Tonnen mit einem Wert von 450 Millionen Mark.

„Die dunkelblauen und lila Töne“, erklärt Greenpeace Hamburg, „können nur mit Chloranil hergestellt werden.“ Zünde man solch eine Kerze an, könne beim Verbrennen so viel Dioxin freigesetzt werden, daß es den in Kindergärten zugelassenen Wert um das 400fache übersteige.

„Das ist eine üble Annahme in Verdachtsform!“ verteidigt Walter Schütz seine Lichter. Doch die Großverteiler nahmen die Warnung ernst. Dem Verband blieb nichts anderes übrig, als eine Untersuchung anzustellen. Am Montag konnte Schütz die Ergebnisse verbreiten. „In keinem Fall ergibt sich ein Anhalt für die Annahme einer Gesundheitsgefährdung“, so der beauftragte Toxikologe Thomas Wolf vom Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit.

Jetzt kann Schütz wieder strahlen und sich über den steigenden Umsatz durch die Lichterketten freuen. „Das ist natürlich sehr positiv. Aber davon klingeln unsere Kassen nicht!“ Selbst wenn eine Million KerzenträgerInnen auf der Straße wären, gingen sie im jährlich produzierten Lichtermeer von einer Milliarde Kerzen unter. Trotzdem hat sein Verband für die leuchtende Demonstration am Dienstag in Frankfurt 10.000 Kerzen spendiert. Von welcher Sorte? „Teelichter, Weihnachtskerzen, jede ist eine Kerze für sich.“