„Absoluter Stau an jedem Knotenpunkt“

■ Bauboom in Charlottenburg: Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD) erwartet massive Verkehrsbehinderungen/ Stadtrat will Autofahrern nur noch eine Fahrspur zugestehen

Bauboom in Berlin: Nach einer Erhebung der Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsverwaltung in Zusammenarbeit mit den Bezirken werden in den kommenden drei Jahren Büroräume mit einer Fläche von drei Millionen Quadratmetern gebaut – was in etwa dem Neubau von 150 Europacenters entspricht (wir berichteten). Ein Drittel davon soll im Bezirk Charlottenburg verwirklicht werden. Die taz sprach mit Claus Dyckhoff (SPD), dem Baustadtrat des Bezirks.

taz: Herr Dyckhoff, im Bezirk Charlottenburg werden in den kommenden drei Jahren faktisch etwa 50 neue Europacenters errichtet. Wird durch die Lastwagenfuhren zu und von den Baustellen der Verkehr in Ihrem Bezirk zusammenbrechen?

Claus Dyckhoff: Das haben wir noch nicht ermittelt. Bei den Bauvorhaben, die sich um den Bahnhof Zoo, den Breitscheidplatz und die Joachimstaler Straße konzentrieren, wird es vermehrt zu Staus kommen. Beispielsweise in der Umgebung der Großbaustelle am Zoo für das „Zoofenster“. Wenn mit dem Bau des IC-Hotels und der Industrie- und Handelskammer in der Fasanenstraße gleichzeitig begonnen würde, wird sich die Situation verschärfen. Die anderen Bereiche verteilen sich aber über den Bezirk: Da sind das Teleport am Messedamm, die Landesversicherungsanstalt (LVA), die jetzt in Bau geht, das Gewerbegebiet am Saatwinkler Damm und der Spreebogenbereich.

Auf welchen Straßen staut sich der Verkehr heute?

Auf dem Spandauer Damm bis zum Ernst-Reuter-Platz, dem Ernst-Reuter-Platz selbst und der Budapester Straße. Nach unseren Schätzungen wird in den kommenden zehn Jahren der Verkehr in der Innenstadt durch zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten und vermehrten Tourismus um 22 Prozent zunehmen – wenn man nichts dagegen unternimmt.

Können Sie das in Staus ausdrücken?

Wir hätten den absoluten Stau nicht mehr nur an zwei, drei Stellen, sondern an vierzehn Kreuzungen. Das sind alle markanten Knotenpunkte. Es würde nichts mehr gehen. Das wird aber niemand so hinnehmen...

...Das sagen Sie so. Es gibt aber Städte, die zeigen, daß man offenbar auch mit „Stop and Go“ leben kann und leben will: Mexico City, Athen, Paris...

Die von der Regierungskoalition beschlossene Formel von 80 zu 20 – also vier Fünftel des Verkehrs soll mit Bus und Bahn und ein Fünftel mit dem Auto bewältigt werden – genügt nicht. Die Baustadträte der Innenstadtbezirke sagen, daß der Autoverkehr halbiert werden muß. Die Luftverschmutzung ist so dramatisch, daß in den Straßen der City nahezu überall die von Bundesumweltminister Töpfer geplanten Alarmwerte überschritten werden. Rußfilter und Katalysatoren, die bei kurzen Fahrten in der City die Schadstoffe kaum vermindern, genügen nicht.

Denken Sie an Straßensperren?

Wir wollen keine Straßen sperren. Es sollte aber nur der allernotwendigste Autoverkehr in die Innenstadt fahren dürfen. Es müssen viele neue Busspuren in allen Richtungen eingerichtet werden – für den Autofahrer bliebe nur noch eine Spur übrig.

Autofahrer würden vermehrt auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Aber gerade in der Innenstadt sind schon heute U-Bahn-Linien und Busse überlastet.

Unsere Gutachter sind zu dem Ergebnis gekommen, daß die Leistungsfähigkeit der U-Bahn – auch der Linie 1 – durch eine schnellere Taktfolge erheblich gesteigert werden könnte. Und wenn wir Busspuren im Spandauer Damm, in der Otto-Suhr-Allee, dem Kaiserdamm und der Kantstraße hätten, könnten wir mit weniger Bussen mehr Fahrgäste befördern als jetzt.

Wann werden die Busspuren auf der Otto-Suhr-Allee und der Kantstraße kommen?

Beschlossen sind sie von der Bezirksverordnetenversammlung schon lange. Doch die Realisierung scheitert am Verkehrssenator, der reagiert einfach nicht. Auch mit dem vom Senat lange beschlossenen Parkraumbewirtschaftungskonzept ist noch immer nicht begonnen worden.

Das Gespräch führte Dirk Wildt