Der pfiffige Vetter in Bonn

■ Entgegen seinen Beteuerungen soll Möllemann den Empfehlungsbrief für eine vetterliche Firma höchstpersönlich redigiert haben / Rücktrittsforderungen aus FDP und CDU mehren sich

Berlin (taz/AP/AFP) – Ist Möllemann jetzt doch noch dran? Während der Vetterles-Wirtschaftsminister sich in der Karibik entspannt, unterbrechen zu Haus fröhlich-aufgeregte Rufe nach Rücktritt die Ruhe am Jahresende. Und soviel der smarte Minister- Lobbyist in seiner Karriere auch schon an Skandälchen ausgestanden hat: in der Affaire um die von ihm unterschriebenen Werbebriefe für die Firma eines angeheirateten Vetters könnte es eng werden für Möllemann. Die Frage heißt nicht mehr: Hat er Amt und persönliches Interesse verquickt? Die Frage lautet jetzt schlicht: Hat der Wirtschaftsminister gelogen?

Einiges spricht dafür. Etwa die Informationen von Bild am Sonntag. Das Blatt behauptet, Möllemanns persönlicher Referent Heinz Werner Frings habe mit dem Minister über die Abfassung des Briefs gesprochen, in dem Supermärkten die Beachtung eines „pfiffigen Produkts“ der vetterlichen Firma empfohlen wird; eines vom Kunden zu kaufenden Chips, der die Markstücke als Wagenpfand ersetzen soll.

Die Formulierung „pfiffiges Produkt“ stamme direkt von Möllemann, schreibt die Zeitung. Wer Möllemann kennt, weiß, daß dies seine Sprache, seine Schreibe ist. Für Möllemanns straffe Redaktion des Briefes spricht auch, daß die in einem früheren Entwurf enthaltene Zusatzempfehlung, des Vetters Firma würde den Chip von Behinderten produzieren lassen, in der Endfassung des Schreibens fehlt. Leistung soll sich lohnen, nicht Mitleid, heißt bekanntlich des Bonner Vetters Devise.

Bisher hatte der Wirtschaftsminister immer behauptet, ein nicht näher bezeichneter Mitarbeiter habe „in gutem Glauben“ das Schreiben auf einem Blankobriefbogen mit Ministerunterschrift verfaßt und versandt. Er habe erst aus dem Stern davon erfahren. „Wo hart gearbeitet wird, wird auch mal Mist gebaut“, hatte ein Möllemann-Sprecher dazu erklärt, und der Minister hielt an seinem gutgläubigen Mitarbeiter fest. Schon diese Erläuterungen Möllemanns riefen mehr Fragen hervor, als sie Antworten gaben. Liegen in Möllemanns Büro Blankounterschriften zur gefälligen Verwendung herum? Und: Ein enger Mitarbeiter kann doch wohl nicht ohne guten Grund zu der Ansicht gelangen, er handle im Sinne des Ministers, wenn er dessen weitläufige Verwandtschaft mit Empfehlungsschreiben versorgt.

Warten wir ab, ob der Minister loyal zu seinem Mitarbeiter steht und wie es mit Ehrlichkeit und Loyalität seines Mitarbeiters bestellt ist. Warten wir ab, ob Möllemann pfiffig genug ist, seine Ambitionen und sein Amt zu retten.

Möllemanns zahlreiche FDP- Kritiker haben Grund zum Feiern. Nach Hildegard Hamm-Brücher fordert auch FDP-Parteivorstandsmitglied Hans-Joachim Otto seinen Rücktritt. Die Partei bevorzuge einen Ämtertausch mit dem Fraktionsvorsitzenden Solms. Das regle auch Möllemanns weitere Karriere: „Selbstverständlich ist der Fraktionschef nicht mehr ein Kandidat für den Parteivorstand“, merkt Otto an. Auch der FDP-Abgeordnete Koppelin meint, Möllemanns Chancen für den Parteivorsitz seien rapide gesunken. Daß auch aus der Union laute Rücktrittsforderungen kommen, teils mit Rücksicht auf das „Ansehen Deutschlands“ (so die Junge Union), teils in Hinsicht auf das schwindende Vertrauen in der Wirtschaft (so Wirtschaftsexperte Ost), verwundert nicht. Schließlich plant der Kanzler für Januar eine Kabinettsumbildung.

Möllemann bleibt ganz der alte. „Durchsetzungsfähigkeit und Erfahrung“ seien seine größten Tugenden, sagte er der Bunten. Über eine Kandidatur als FDP-Chef entscheide er im Frühjahr. Seine Karriere spreche für ihn: „Wenn ich jetzt noch aufzeigen müßte, was ich kann und was nicht, sollte ich lieber nicht kandidieren.“

Stimmt, Möllemann hat genug gezeigt. Jedes Mehr wäre zuviel. Gönnen wir ihm seinen karibischen Resturlaub bis zum 6. Januar. Aber: Ziehen Sie sich warm an bei der Rückkehr, Minister. Es ist kalt in Bonn, gerade wenn man aus den Tropen kommt. ci