Humanitätshuberei Von Mathias Bröckers

Meine Weihnachtsspende gegen den Welthunger habe ich heuer guten Gewissens reduziert – wenn demnächst die Bundeswehr nach Somalia ausrückt, bin ich kostenmäßig ja voll beteiligt und habe das gleich verrechnet. Und so für beide etwas getan: für die armen Hungernden in der Welt und für die armen Soldaten hier. Denn wenn zuviel gespendet wird und sich der Hunger am Ende gar erledigt, dann kommt sie ja nie raus in die weite Welt, unsere Bundeswehr. Nun fragen Sie mich nicht, was die globale Hungerkatastrophe mit out-of-area-Einsätzen der Bundeswehr zu tun hat – fragen Sie Ihren Verteidigungsminister. Denn der ist es, der nach dem Kriegselend in Bosnien jetzt mit dem Hunger in Somalia hausieren geht, um seine tolle Truppe, an der Verfassung vorbei, global zum Einsatz zu bringen. Und wer wird denn da noch Bedenken haben, wo es doch um nichts anderes geht, als quasi Mutter Theresa logistisch zu unterstützen? „Die Sache ist unglaublich wichtig für unser Ansehen“, meint Kanzler Kohl, also eben jener, der mit seinem Ausländer- und Asyl-Wahlkampf dafür gesorgt hat, daß „unser Ansehen“ international auf einen seit Hitler nicht dagewesenen Tiefststand sinken konnte. Und der jetzt mit händeringendem Aktivismus keinesfalls abseits stehen will, wenn irgendwo fernsehgerecht kleine Negerlein gerettet werden. In Deutschland können sich Schwarze kaum noch auf die Straße trauen, in Afrika dagegen will Massa Kohl mit seiner tollen Truppe ihnen Essen auf Rädern mit Waffengewalt garantieren. Er ist ja auch zu fürchterlich, dieser somalische Bandenkrieg, und verglichen damit mutet der selbst verursachte Bandenkrieg vor der eigenen Haustür allenfalls wie eine kleine „Verstimmung“ an. Schließlich stellt die Entsendung von Schutztruppen nach Somalia ja durchaus auch einen ganz konkreten Schutz für deutsche Asylunterküfte da: je mehr Ordnung da unten herrscht, um so weniger Schwarze kommen nach Deutschland und müssen dann vor hiesigen Alt- und Jung- Nazis geschützt werden. „Wir leisten mit der Truppenentsendung also nicht nur humanitäre Hilfe, wir bekämpfen Gewalt und Ausländerhaß auch endlich vor Ort, nämlich im Ausland, den konkreten Ursprungs- und Anbauländern also, von wo aus die Probleme ja erst über uns gekommen sind. Erst wenn der Afrikaner sich in Afrika wieder zu Hause fühlt, werden wir uns auch als Deutsche in Deutschland wieder wohlfühlen“, heißt es in der Neujahrsansprache des Kanzlers, die der taz vorab zugespielt wurde. Wir können sie leider nicht im Wortlaut bringen, weil sie sich erneut als Verwechslung heraustellte: es war die Probe 1994 und es ging um mögliche Operationen in Sudan, Äthiopien, Ghana und anderswo. Der Welthunger ist überall. Daß man ihn beseitigen könnte, indem man den Wehretat der Welthungerhilfe zur Verfügung stellt und jeden einzelnen Jäger90 zu 1.000 Milliarden Reisportionen umschmiedet – diese Frohe Botschaft wird geheimgehalten. Mit derlei billiger Menschrettung läßt sich weder eine überflüssige Bundeswehr legitimieren, noch sonst irgendein Geschäft machen. Darum geht's schließlich, im Hintergrund der ganzen ekelhaft herzerweichenden Humanitätshuberei.