Versuchsballon aus Bagdad im Südirak

■ Saddam Hussein testet Spielraum zum Ende der Bush-Ära aus/ US-Jäger schoß irakische MiG ab/ Heftige Reaktionen in der irakischen Presse/ Politik der Nadelstiche gegen die Golfkriegsalliierten

Washington (afp/dpa/wps/taz) – Nach dem Abschuß einer irakischen Militärmaschine über der Flugverbotszone im Süden des Landes hat die amtliche irakische Presse US-Präsident George Bush gestern heftig angegriffen. „Das ist eine offenkundige Aggression und ein feiges Verbrechen, was von der Sackgasse zeugt, in der der Krimelle Bush sich befindet“, schrieb das Organ der regierenden Baath- Partei, Al Thaura, am Montag. Die Armeezeitung Al Qadissija schrieb, der Irak behalte sich das Recht vor, auf seine Weise auf den „kriminellen Akt“ zu reagieren. Demgegenüber bezeichnete der irakische UNO-Vertreter, Nisar Hamdoun, den Abschuß als ein „isoliertes Ereignis“.

Der Zwischenfall ereignete sich am Sonntag gegen 9 Uhr (MEZ). Wie Oberstleutnant Marc Martens, Sprecher des US-Kommandoabschnitts Mitte, sagte, waren zwei amerikanische F-16 und zwei irakische MiG im Abstand von 20 Minuten in die Flugverbotszone südlich des 32. Breitengrades eingeflogen. Die Piloten der F-16 hätten die MiG-Besatzungen aufgefordert, ihre Herkunft und ihr Ziel zu nennen. Daraufhin hätten die irakischen Maschinen die Flugverbotszone verlassen, seien aber später zurückgekehrt, um die Amerikaner anzugreifen. Bei dem anschließenden Angriff der F-16 sei eine der beiden MiG-Maschinen südlich des 32. Breitengrades getroffen worden, die andere sei in nördlicher Richtung entkommen.

Vertreter der US-Administration in Washington waren sich gestern weitgehend in ihrer Einschätzung einig, der Irak habe kurz vor dem Auslaufen der Amtszeit von Präsident George Bush austesten wollen, wie ernst die USA es mit der Durchsetzung des Flugverbots meinen. Der Zwischenfall war der erste dieser Art seit der Verhängung der Schutzzone südlich des 32. Breitengrades am 27. August 1992. Bush hatte den Schritt damals mit neuen Beweisen für die schwere Unterdrückung der Schiiten im Südirak begründet und dies als Verstoß gegen die UNO-Resolution 688 bezeichnet. Unter Berufung auf diese Resolution war nach dem Ende des Golfkrieges eine ähnliche Schutzzone nördlich des 36. Breitengrades für die Kurden im Nordirak verhängt worden. In beiden Regionen war es nach dem Sieg der Alliierten zu Aufständen gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein gekommen, die blutig unterdrückt wurden.

Der Abschuß des irakischen Flugzeuges erfolgt zu einem Zeitpunkt erhöhter Spannungen zwischen den von den USA geführten Golfkriegsalliierten und dem irakischen Regime. Bereits seit Ende November ist es wieder vermehrt zu irakischen Sabotageaktionen, Anschlägen gegen Lastwagen mit Hilfslieferungen für die Kurden und Drohungen gegen UN-Inspektoren gekommen. Damals hatten die USA in der UNO gegen eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak gestimmt.

Schwerpunkt dieser Nadelstich- Politik Saddam Husseins war der Nordirak, wo die Kurden unter dem alliierten Schutzschild eine autonome Region mit eigener gewählter Regierung etabliert haben. Rund um das kurdische Gebiet stehen sechs irakische Divisionen. In den letzten Wochen gab es immer wieder Berichte über irakische Truppenbewegungen. Saddam Hussein selbst sagte am Sonntag, er werde seine „Autorität“ über den Nordirak wieder herstellen, ohne jedoch die Kurden anzugreifen. Im gleichen Atemzug kritisierte er die Verlängerung der Stationierung der alliierten Schutzmacht für die Kurden, die das türkische Parlament letzte Woche beschlossen hatte.

Doch zumindest in dieser Hinsicht scheint sich eine leichte Lockerung der gespannten Lage in Irakisch-Kurdistan abzuzeichnen: Nisar Hamdoun teilte am Sonntag mit, die irakische Regierung sei nunmehr bereit, die Hilfskonvois für die Kurden von UN-Vertretern überwachen zu lassen. Er habe dem stellvertretenden UNO-Generalsekretär für humanitäre Fragen, Jan Eliasson, eine entsprechende Mitteilung überbracht.