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Das Ende der Legende

■ Lee Iacocca tritt mit 68 Jahren in den Ruhestand und überläßt seinem Nachfolger Eaton das Chrysler-Steuer

Berlin (taz) – Wäre er bereits mit 65 Jahren in Pension gegangen, wäre Lee Iacocca eine Legende des american dream geblieben: ein Bilderbuch-Manager, Kind einstmals armer süditalienischer Einwanderer, der selbst aus schwierigsten Situationen stets als Sieger hervorging.

Doch die jüngste Krise des US- Automobilkonzerns Chrysler hatte der Boß selbst verschuldet. Er wollte bis 1991 einfach nicht wahrhaben, was seine KundInnen ihm per Kaufentscheid schon lange vorhielten: daß sich fürs gleiche Geld bei japanischen Herstellern einfach mehr Auto kaufen ließ als bei Chrysler.

Mit der 1991er Verlustbilanz (795 Millionen Dollar Minus bei 29,4 Milliarden Dollar Umsatz) schrumpfte auch Iacocca wieder auf menschliches Maß zurück. Am 31. Dezember nun will der 68jährige die Führung der drittgrößten US-amerikanischen Autofirma an seinen bereits im März ernannten Nachfolger Robert Eaton (52) abgeben.

Immerhin schaffte er es, seinen 1991er Mist in diesem Jahr noch selbst wegzuräumen und Chrysler wieder in die Gewinnzone zu fahren. In den ersten neun Monaten 1992 erwirtschaftete der Automobilhersteller einen Überschuß von 367 Millionen Dollar und vergrößerte seinen Anteil am heimischen Automarkt.

Legendenfähig wie kurz vor dem Chrysler-Boykott im Jahr 1979, als sich Iacocca nur einen symbolischen Dollar als Jahresgehalt genehmigte, geriet Iacoccas Rettungsaktion in diesem Jahr allerdings nicht: er kürzte die Löhne der Beschäftigten und guckte bei der japanischen Konkurrenz ab, wie man für einen Großbetrieb eine effiziente Organisationsstruktur schneidert.

Berühmt und beliebt wurde der 1992er Detroit's man of the year in seinen ersten Chrysler-Jahren, als er es 1979 schaffte, eine Staatsbürgschaft von 1,5 Milliarden Dollar für seine Firma herauszuverhandeln, die im Anschluß an die Ölkrise mit ihren Bezinschluckern den größten Verlust in der amerikanischen Autogeschichte eingefahren hatte. Um Chrysler wieder profitabel zu machen, rationalisierte er knallhart: Von 175.000 Beschäftigten verloren 100.000 ihre Jobs.

Diese Erfahrung hatte der Manager zuvor auch selbst gemacht. 1978 wähnte sich der unter Kollegen als Intrigant berüchtigte Iacocca schon sicher im Chefsessel seines damaligen Arbeitgebers Ford. Doch Firmenpatriarch Henry Ford II feuerte ihn damals – angeblich mit der schlichten Begründung: „Ich mag Sie nicht.“

Anders als die später von ihm gekündigten ArbeiterInnen fand er schnell den Chef-Job bei Chrysler, wo er sogar höchstpersönlich in Werbespots auftrat. „Wenn Sie ein besseres Auto finden, kaufen Sie es“, lautete sein bekanntester Werbeslogan.

Drei Jahre später war die Staatsanleihe bereits zurückgezahlt, und das Unternehmen schrieb einen Rekordüberschuß von 2,4 Milliarden Dollar. Iacoccas 1984 veröffentlichte Biographie wurde später auch in Deutschland ein Bestseller.

1985 war Iacocca nach dem Ergebnis einer Umfrage nach dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan der beliebteste Mann in den USA, weshalb ihm von den Demokraten die Präsidentschafts- Kandidatur angetragen wurde. Angesichts der heraufziehenden Rezession lehnte er – „ein Rezept habe ich auch nicht“ – dankend ab.

Als einfacher Ingenieur hatte er sich beim Autohersteller Ford zum Generaldirektor des Unternehmens hochgearbeitet. Bei Chrysler entschädigte er sich im übrigen später reichlich für den Lohnverzicht des Jahres 1979 und gönnte sich selbst im Chrysler-Krisenjahr 1991 4,58 Millionen Dollar Jahressalär.

Ganz trennen will sich Iacocca von „seinem Unternehmen“ noch nicht. Bis 1995 will er in jedem Fall Vorsitzender des Chrysler-Verwaltungsrates bleiben. Harte Zeiten vermutlich für Nachfolger Eaton. Donata Riedel

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