Von der Kunst, Liechtensteiner zu werden

■ Alteingesessene wählen NeubürgerInnen persönlich aus

Vaduz (taz) – Es spricht deutsch als Muttersprache, hat eine weiße Hautfarbe und eine Führungsposition inne, verdient 6.000 Mark im Monat und ist AusländerIn.

So ist die Situation von 32 Prozent der rund 30.000 BewohnerInnen des Fürstentums Liechtenstein. Die „AusländerInnen“ sind in der Mehrzahl schweizerische, österreichische und deutsche StaatsbürgerInnen. Sie sind längst assimiliert – zum Teil leben sie schon in der dritten Generation in Liechtenstein.

Da das Land hoch industrialisiert ist und Arbeitskräftemangel hat, muß die Regierung jedes Jahr Aufenthaltsbewilligungen erteilen. Diese werden streng nach Nationalitäten und Berufen kontingentiert. Da das Fürstentum kein Asylrecht kennt, ist garantiert, daß nur hochqualifizierte Fachkräfte weißer Hautfarbe und deutscher Muttersprache ins Land kommen. Doch auch die handverlesenen Ausländer haben kaum Chancen, einen liechtensteinischen Paß zu bekommen.

Der Besitz eines Passes ist mit Privilegien verbunden, über die Alteingesessene eifersüchtig wachen. Bekannt sind 50.000 bis 60.000 Briefkastenfirmen (genaue Zahlen werden nicht erhoben), die den sagenhaften Reichtum des Fürstentums begründen. Solche Firmen dürfen nur von Liechtensteinern verwaltet werden.

Der Reichtum, den Liechtenstein heute hütet, begann erst in den 50er Jahren. Doch die Schranken bei der Einbürgerung von Ausländern stammen noch aus dem alten bäuerlich-genossenschaftlichen Recht. Staatsbürger kann nur werden, wer vorher die Bürgerschaft einer der neun Gemeinden erworben hat – einschließlich des Rechts auf Nutzung des Gemeindebodens.

Man stellt einen Antrag auf Aufnahme in der Gemeinde. Ein paar Monate später findet eine Abstimmung statt, in der die Bürger (seit Mitte der achtziger Jahre auch die Bürgerinnen) in geheimer Wahl über die Aufnahme entscheiden. Gute Chancen auf Einbürgerung hat, wer Mitglied in diversen Vereinen ist (Gesang, Fußball), im Lande aufgewachsen ist und den örtlichen Dialekt spricht.

Das Gemeindeblatt stellt die Kandidaten mit Bild und Kurzbiographie vor. Es schreibt, daß der potentielle Neubürger assimiliert sei und daß er (ganz selten auch sie) jeden Kontakt zur ehemaligen Heimat verloren habe.

Doch selbst aussichtsreiche Kandidaten fallen bei solchen Wahlen immer wieder durch. Der Gesichtsverlust ist beträchtlich. Daher vermeiden die meisten Ausländer die Prozedur.

Das Frauenstimmrecht führte Liechtenstein erst im Jahre 1986 ein. Verantwortlich dafür war die ungebrochen patriarchale Struktur Liechtensteins. Hauptargument gegen das Frauenstimmrecht war jedoch Fremdenfeindlichkeit: Die Männer befürchteten, eingeheiratete Ausländerinnen könnten sich in liechtensteinische Angelegenheiten einmischen. Das Frauenstimmrecht wurde erst durchgesetzt, nachdem es ein Gesetz gab, das den ausländischen Ehefrauen liechtensteinischer Männer die Bürgerrechte für eine Dauer von zehn Jahren aberkannte.

Doch zehn Jahre sind ein kleiner Zeitraum für liechtensteinische Verhältnisse. Selbst Fürst Hans-Adam von und zu Liechtenstein, der Namenspatron des Staates, gilt noch als halber Österreicher. Schließlich hat sich die fürstliche Familie erst im Jahr 1938 auf der Flucht vor den Nazis dauerhaft im Land niedergelassen. Michael Heinzel