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„Das ist ja eine Pleite hier, Kinder!“

Aufsichtsrat Gies wollte sich nur die Zustimmung der Aktionäre des Versicherungskonzerns AMB zum Verkauf der BfG-Bank abholen/ Versammlung geriet zur Posse um die Post  ■ Aus Aachen Donata Riedel

Eine Bank wird in Deutschland nicht jeden Tag verkauft. Den Verträgen zum Verkauf der BfG-Bank wollten die Aktionäre der Noch- Mehrheitsgesellschaft AMB (Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft) daher nicht so ohne weiteres zustimmen – zumal Aufsichtsrat und Vorstand das Vertragswerk nach dem Motto: Friß, Vogel, oder stirb präsentierten. Denn die marode frühere gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft wollte außer der französischen Großbank Credit Lyonnais (CL) niemand haben. „Sofern Sie Ihre Zustimmung versagen“, drohte AMB-Vorstandschef Wolfgang Kaske den Aktionären auf der gestrigen außerordentlichen Hauptversammlung in Aachen, müßte die AMB der hochverschuldeten BfG 540 Millionen Mark zur Kapitalerhöhung zahlen– eine Summe, die auch der großen Versicherungsgruppe AMB (Beitragseinnahmen 12 Mrd. DM im Jahr) Probleme bereiten dürfte.

Die Probleme für AMB scheinen so groß, daß der Vorstand offenbar nicht einmal vor Tricks zurückscheute, um mögliche Gegner des Pakets an der Abstimmungsteilnahme zu hindern. So wurde die größte AMB-Aktionärin, die mit 20 Prozent beteiligte italienische Versicherungsgruppe La Fondiaria, nicht ins Aktionärsbuch eingetragen; angeblich, weil sie sich nicht rechtzeitig schriftlich angemeldet hatte. Fondiaria-Rechtsanwalt Althaus beklagte sich bitter darüber, daß ausgerechnet sein Anmeldungsschreiben auf dem Weg zur AMB verlorengegangen sei. Auch der Kleinaktionär Karsten Trippel aus Heilbronn-Sontheim wunderte sich, daß ausgerechnet am Tag, an dem die Anmeldungsfrist zur HV ablief, sämtliche Fax-Geräte bei AMB gestreikt hätten. Dies steigerte noch die Wut vieler im Aktionärspublikum gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Helmut Gies, der als Versammlungsleiter sämtliche Vorwürfe mit Paragraphen aus Satzung oder Aktiengesetz abschmetterte. Weil die Gegner seiner Geschäftspolitik somit nicht mitstimmen durften, fühlte sich Gies stark genug, über sich selbst als Versammlungsleiter abstimmen zu lassen. Aufsichtsratskollege Rolf Diel von der Dresdner Bank als Interims-Versammlungsleiter wiederum weigerte sich, über Gies abstimmen zu lassen. Das Possenspiel um den Teilnehmerkreis und die Post dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Daß die einstigen „italienischen Freunde“ (Gies) nicht mehr die gewohnte Vorzugsbehandlung genießen, liegt schlicht daran, daß sie für AMB ihre Schuldigkeit getan haben. Im vergangenen Jahr nämlich wollte Gies zusammen mit der Fondiaria und einer britischen Gesellschaft jeglichen Einfluß französischer Staatskonzerne auf die AMB verhindern. Damals wollte der französische Versicherungskonzern AGF (zu 75 Prozent in Staatsbesitz) über eine Beteiligung an der AMB in den deutschen Markt einsteigen. Zu diesem Zweck kaufte sie sich gut 25 Prozent des AMB-Kapitals zusammen, zum Teil allerdings als „vinkulierte Namensaktien“, bei deren Eintragung die AMB zustimmen muß. Diese Zustimmung hatte der frühere Vorstandschef Wolf-Dieter Baumgartl lange verweigert.

Als aber die Lage der AMB- Tochter BfG-Bank immer prekärer wurde, die deutschen Großbanken dankend abgewunken hatten, brachte AGF-Vorstand Michel Albert den Credit Lyonnais (zu 50 Prozent in französischem Staatsbesitz) als Käufer ins Spiel. Heraus kam nach langen Verhandlungen und dem unfreiwilligen Abgang von Baumgartl jenes Aktientauschpaket, das gestern zur Abstimmung stand und von vielen als „Nötigung“ (ein Zwischenrufer) empfunden wurde.

Danach übernimmt in zwei Schritten der CL die Mehrheit (50 Prozent plus eine Aktie) an der BfG-Bank – unter der Bedingung, daß die AGF-Aktien an der AMB nunmehr eingetragen werden. Die CL bezahlt 1,191 Mrd. DM, die in eine Eigenkapitalerhöhung bei der BfG-Bank fließen. Die AMB bekommt weitere 80 Millionen in bar und AGF-Aktien von 262,5 Millionen Mark – sowie eine garantierte Mindestdividende auf ihren verbleibenden BfG-Bank-Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie – auch dann, wenn die BfG weiterhin Verluste schreibt.

Finanziell gesehen ist also der Deal für die AMB-Aktionäre nur von Vorteil. Die gestrige Wut auf Gies hatte vor allem mit dessen Zickzackkurs zu tun – und den Milliarden, die AMB für die BfG- Bank seit 1987 bereits „zum Fenster hinausgeschmissen“ hat, wie mehrere Aktionäre Gies vorwarfen. Wie die Machtverhältnisse auf der außerordentlichen Hauptversammlung am Ende tatsächlich waren, zeigte eine Probeabstimmung kurz vor Redaktionsschluß. Gies ließ da über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen, die chaotische Versammlung und damit die Entscheidung über den BfG-Deal zu vertagen. Er wurde von einer fast sozialistischen Kapitalmehrheit, getragen von den Banken, abgeschmettert.

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