Minister Möllemann wird immer einsamer

■ CDU-Kritik an Pressekonferenz/ Kohl meldet sich kritisch zu Wort

Bonn (AP/dpa/taz) – Jürgen W. Möllemann (FDP) kommt wegen seiner „Briefbogen-Affaire“ immer mehr in Bedrängnis. Gestern meldete sich erstmals Kanzler Kohl – via Regierungssprecher Schäfer – zu Wort: Kohl erwarte, so Schäfer, von Möllemann nach seiner Rückkehr aus der Karibik, über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe „sofort und umfassend“ unterrichtet zu werden. In der Zwischenzeit seien „neue Fragen aufgetaucht“, erläuterte er. Schäfer ließ offen, welche Fragen er meine.

Der Vorsitzende des Bundestagswirtschaftsausschusses, Friedhelm Ost (CDU), kritisierte den noch amtierenden Bundeswirtschaftsminister, weil er sich zwei Tage vor der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses schon an diesem Sonntag vor der Presse äußern will. Dies sei ein „ungewöhnliches Verhalten“, sagte Ost. Denn das Parlament habe allemal Vorrang, es sei denn, daß Möllemann persönliche Konsequenzen beabsichtigt, bei denen er nicht zwei Tage länger warten wolle.

Möllemann muß sich bereits am kommenden Montag den Fragen der FDP-Spitze stellen: der Parteivorstand will auf einer Sondersitzung die Briefbogen-Affaire zur Sprache bringen. Ursprünglich sollte die Anhörung erst am 11. Januar stattfinden.

Lambsdorff hatte am Dienstag deutlich gemacht, daß die Partei Klarheit darüber haben will, ob Möllemanns Darstellung richtig ist, die Empfehlungsschreiben an Supermarktketten für ein von einem angeheirateten Vetter vertriebenes Produkt seien ohne sein Wissen auf Minister-Briefbögen mit Blanko-Unterschrift verfaßt worden.

Lambsdorff ließ durchblicken, daß die FDP ihren Minister auch aus dem Kabinett abziehen würde, falls sich seine Version als unwahr herausstellt.

Der Geschäftspartner des Vetters hat dagegen das Gegenteil vertreten. Auch der Vorsitzende des Personalrates des Bonner Wirtschaftsministeriums, Friedrich Fehling, äußerte jetzt Zweifel an Möllemanns Darstellung der Affaire: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß das ohne Wissen des Ministers gelaufen ist, so wie das Ministerium organisiert ist.“ Der Personalrat benutzt nach seiner Darstellung gelegentlich die Unterschriftenmaschine mit Möllemanns Unterschrift in der FDP-Zentrale, wenn der Minister nicht in Bonn sei. „Das haben wir uns aber immer schriftlich genehmigen lassen“, unterstrich Fehling.

Für eine Ablösung Möllemanns als Vizekanzler sprachen sich mehrere Unionsabgeordnete aus. Unter anderen plädierte der CDU- Parlamentarier Georg Brunnhuber dafür, das Wirtschaftsressort im Zuge der ohnehin geplanten Kabinettsumbildung mit seinem Fraktionskollegen Matthias Wissmann zu besetzen. Wie die CSU- Politiker Zierer und Protzner schlug Brunnhuber vor, Bundesfinanzminister Theo Waigel solle Vizekanzler werden. klh