Schietbüdel und die Schachteln

Einmal im Jahr geht Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau in die Knie. Beim traditionellen Neujahrsempfang im Rathaus macht sich der Bürgermeister immer wieder klein, um die Kinder zu begrüßen, wagt ein Tänzchen mit der „Zitronenjette“, bläst ins Horn, gibt Autogramme und läßt sich geduldig auch für das private Album fotografieren. Mehr als 1500 Menschen, darunter viele ausländische Familien, schütteln Voscherau und seinem Stellvertreter Prof. Hans-Jürgen Krupp an diesem Tag die Hände und wünschen alles Gute oder „toi, toi, toi für 1993“.

Die „zwei alten Schachteln“ Alice und Herta dürfen Voscherau sogar ungestraft „min Schietbüdel“ nennen und ihn herzhaft küssen. Die beiden 82jährigen Frauen ziehen seit vielen Jahren mit einer Drehorgel durch die Stadt und sind Stammgäste des Neujahrsempfangs. Komplett vertreten sind die Mitglieder des „Hummel Clubs von 1902“, die als Wasserträger, Nachtwächter, Aale Aale oder Zitronenjette die Hamburger Originale von damals verkörpern. Eingereiht in die lange Schlange der Wartenden haben sich auch Bischöfin Maria Jepsen, die Fraktionsvorsitzenden der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien und Bürgerschaftspräsidentin Elisabeth Kiausch.

Neben den üblichen persönlichen Geschenken wie grellrosa Sparschweinen, Schokoladen- Glücksbringern und roten Nelken erhält der SPD-Politiker Voscherau diesmal auch dicke Schecks. Sie sind für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen bestimmt, das die Stadt 1993 unter dem Motto „Hamburg hilft Unicef“ unterstützen will. Knapp 50000 Mark Spenden kommen zum Auftakt des Unicef-Partnerschaftsjahres allein beim Neujahrsempfang im Rathaus zusammen.

Zu einer Veranstaltung für alle BürgerInnen ist die Veranstaltung erst 1945 geworden. Zuvor war sie nur Sache der Honoratioren. dpa