Bewegter Streit um die Macht des Bildes

■ Das vergangene Kinojahr stand im Zeichen von Querelen und Verdrängungswettbewerb / Ein Rückblick

stand im Zeichen von Querelen und Verdrängungswettbewerb/Ein Rückblick

Es geschah noch 1991, doch die Auswirkungen des Ereignisses reichten bis weit ins neue Jahr hinein: Das Metropolis, einst unbequemstes Kino der Stadt, präsentierte sich zum Jahresanfang mit neuer Bestuhlung. Die roten, gut gefederten Sessel sorgten für ausreichende Beinweite bei sorgfältig zusammengestellten Retrospektiven, ausgewählten Fundstücken und kommunalen Kino-Highlights.

Während dieses klammheimliche Ereignis lediglich Insidern bekannt blieb, sorgte ein anderes für öffentliches Interesse: Im Februar schritt die Hamburger Wirtschaftsbehörde in ihrer Funktion als Landes-Kartellamt gegen die Hamburg-übliche Verleihpraxis ein. Mit einer einstweiligen Verfügung gegen den Verleih-Multi Warner-Brothers unterband sie den exklusiven Start des Spitzenfilmes JFK von Oliver Stone in nur einem Kino. Langfristig gesehen war die Verfügung ein erster Schritt gegen die von einer Verleihologarchie bestimmten Wettbewerbsverhältnisse am Hamburger Kinomarkt, wo Kinocenter nicht zuletzt deswegen mit Erfolgsware Kasse machen, weil sie Kopien für die Stadtteilkinos blockieren.

Im April wurde dann Rosemarie Schatter zur Leiterin des ersten Filmfestes Hamburg, dem Zusammenschluß der Hamburger Kinotage mit dem vom Filmbüro organisierten Europäischen Low Budget Film Forum, berufen. Lediglich sechs Monate Zeit blieben der 42jährigen Juristin, die als Tochter eines Kinobesitzers von Haus aus mit dem Medium vertraut war, für die Organisation des Festivals. Doch nicht der Zeitdruck, sondern die anhaltenden Querelen zwischen ihr und dem Aufsichtsrat, allen voran Filmbüro-Chef Thorsten Teichert, bewogen sie bereits im Dezember dazu, das Handtuch zu werfen.

Auch Markus Schäfer, Initiator des No-Budget-Kurzfilm-Festes, überließ nach acht Jahren Organisationsarbeit das Feld anderen. Zurück bleibt ein Filmfest, das der Filmfreak Schäfer und die LAG Film von einer mehrstündigen Amateurkurzfilm-Veranstaltung zu einem fünftägigen Ereignis mit verschiedenen Reihen und Wettbewerbssparten ausgebaut hatten.

Doch der Personalwechsel nicht genug: Michael Eckelt (40), ehemaliger Geschäftsführer des Flebbe- Verleihs Impuls-Film, übernahm im April die Leitung des Hamburger Film-Fonds, ein Posten, der seit dem Weggang von Dieter Kosslik im Dezember 1991 unbesetzt geblieben war. Ebenfalls im April und nicht nur unter Beifall fand die Eröffnung des vom Bundesbildungsministeriums auf fünf Jahre geförderten Modellstudiengangs Film am In-

1stitut für Theater, Musiktheater und Film statt. Unter der Leitung von Hark Bohm erhalten hier zehn junge Talente eine zweijährige Ausbildung im Schreiben, Inszenieren und Produzieren eigener Spielfilme.

Im Juni schließlich wurde dann amtlich, worüber man schon lange gemunkelt hatte: Cinemaxx, das seit Jahren geplante Superkomfortkino am Dammtorbahnhof, darf gebaut werden: Die Investorengruppe um das Kino-Wunderkind Hans-Joachim Flebbe (40) erhielt das 4500 Quadratmeter große Filetgrundstück, auf dem bis dato das ehemalige Bierdorf brachliegt, um ein Filmfestspielhaus der Superlative zu errichten. Flebbe und das „Phantom des Kinos“ Rolf Deyle (53) wollen circa 35 Millionen Mark investieren und dafür acht Kinos unterschiedlicher Größe mit insgesamt 2800 Sitzplätzen errichten. Volker Riech, Branchenführer und Kopf der UFA-Gruppe, reagierte prompt und gab bekannt, das erfolgreichste Hamburger Kino, das Grindel, um fünf Säle erheblich zu vergrößern. Verlierer im Kampf der Giganten sind auch hier die kleinen

1und lokalen Kinos, die in einem offenen Brief zum Jahresende Kultursenatorin Christina Weiss in Anbetracht dieser verschärften Zustände noch einmal dringlichst aufforderten, endlich Richtlinien für eine Kinoförderung zu entwickeln, wie sie alle anderen Bundesländer längst vorweisen können.

Im Juni formierte sich die Hamburger Filmwerkstatt e.V.. Der von der Bertelsmannstiftung, dem NDR, der Scriba und Deyhle OHGF, Flebbe u.a. getragene und vom Vorsitzenden Matthias Esche (NDR- Fersehspielchef) geleitete Verein, unterstützt mit 900000 Mark pro Jahr die Film-Projekte aus Hark Bohms neuer Kaderschmiede. Gleichzeitig feierte Gyula Trebitsch sein 60jähriges Berufsjubiläum. Vor mehr als einem halben Jahrhundert hatte der heute erfolgreiche Filmproduzent als Platzanweiser in einem Budapester UFA-Kino begonnen.

Währenddessen stritt man sich in Ottensen bei den Organisatoren des Filmfestes um das Kino auf der Alster. Das Zugpferd des ehemaligen Low-Budget-Film-Forums sollte

1jetzt abgekoppelt werden und statt gemeinsam im Oktober schon im August stattfinden. Witterungsgründe sprachen dafür, die Tradition dagegen. Meteorologischer Sachverstand setzte sich letztlich durch und Ende September wurde das erste Filmfest Hamburg dann ohne die Leinwand im Wasser eröffnet. Der Fünf-Tage-Marathon durch vier Themenschwerpunkte verlieh sich professionellen Anstrich durch Zuladung internationaler Filmprominenz. Bei den Kritikern stieß die Veranstaltung dagegen auf wenig Gegenliebe. „Konzept- und profillos“ war das fast einstimmige Presse-Urteil.

Dagegen fand das neue Herzstück der Hamburger Filmlandschaft, die renovierten Zeisehallen, bei seiner Eröffnung im November großen Anklang. Torsten Teichert, der hier ein neues Domizil für das Filmbüro erhielt, fand nach der zufriedenstellenden neuen Heimat leider auch gleich wieder einen gewichtigen Grund, um sich öffentlich zu ärgern. Ein Positionspapier aus der Kulturbehörde drohte mit abenteuerlichen Änderungsvorstel-

1lungen bei der Filmförderung, die den Bock zum Gärtner zu machen würden. Aus Konkurrenz-Angst zu anderen Länderförderungen plante man eine Zusammenlegung der kulturellen mit der kommerziellen Filmförderung. Doch dieses Modell fand nicht nur bei Teichert keine Zustimmung.

Zum Schluß des Jahres erreichte die Kino-Szene schließlich doch noch eine frohe Kunde. Die Verleihfirmen haben in einer Erklärung gegenüber der Wirtschaftsbehörde zugesagt, ihre Filmkopien an alle Kinounternehmen Hamburgs entsprechend der Einspielstärke der

1einzelnen Häuser zu vergeben. Damit sind die Wettbewerbsbedingungen entschärft und ein großer Teil der Bezirkskinos als Erstaufführungstheater anerkannt. Doch der Triumph der Kleinen kommt für einige zu spät: Nachdem das traditionsreiche Arsenal bereits im Juni schließen mußte, gingen im Eidelstedter Alabama und dem in der City gelegenen „Broadway“ Sylvester für immer die Lichter aus. Bettina Hennig