Hamburger High-Tech für Saddams Raketen

■ Der Kompaßhersteller C. Plath soll Scud-Raketen und Atombomben-Anreicherungsanlage des Irak ausgerüstet haben

soll Scud-Raketen und Atombomben-Anreicherungsanlage des Irak ausgerüstet haben

Zum zweiten Mal steht der traditionsreiche Hamburger Hersteller von Navigationstechnik, die Firma Plath, im Verdacht, ihre High-Tech in den Dienst von Saddam Husseins Rüstungsprogrammen gestellt zu haben. Aus einem Bericht der Wiener International Atomic Energie Agency (IAEO) geht hervor, daß das in Barmbek und Winterhude ansässige Unternehmen Teile für eine Anlage an den Irak geliefert hat, mit der atombombenfähiges Uran angereichert werden kann.

Die Wiener Organisation inspizierte im Auftrag der Vereinten Nationen in den vergangenen anderthalb Jahren mehrfach den Irak, um sich ein Bild über die Bemühungen Husseins zu machen, in die Nuklearwaffentechnologie einzusteigen. Gesucht: westliche Firmen, die widerrechtlich Hochtechnologie für Saddams Atomraketenprogramme geliefert haben. Auf ihrer elften Inspektionsreise Anfang bis Mitte April 1992 bekamen die IAEO-Inspektoren vom irakischen Außenministerium den Hinweis, Plath habe „small componences“ für einen Gaszentrifugen-Prototyp an den Irak geliefert, mit dem atomwaffenfähiges Uran 235 ausgefiltert werden kann.

IAEO-Mitarbeiter Friederich Meyer zur taz: „Wir wissen aber noch nicht, ob Plath direkt geliefert hat, oder ob die Spezialkomponenten auf Umwegen in den Irak gelangt sind.“ Die Unternehmenleitung von Plath mag keinerlei sachdienliche Hinweise zur Aufklärung dieser Frage beisteuern. Vertriebsdirektor Heinrich Drespe: „Wir wissen von nichts.“

Mehr weiß inzwischen die Staatsanwaltschaft, die seit zwei Jahren gegen Plath wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittelt. Bereits im September 1990 statteten Hamburger Zollfahnder dem Firmensitz an der Gertigstraße 48 einen unangekündigten Besuch ab. Die Beamten suchten nach Unterlagen, aus denen hervorgeht, ob die Firma an den Irak technisches Gerät für die im Golfkrieg zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Scud-Raketen geliefert hat. Und wurden fündig. Staatsanwaltschafts-Sprecher Rüdiger Bagger: „Entsprechende Verträge liegen uns vor.“

Danach soll Plath zumindest Komponenten für Spezialkompasse an das Hussein-Regime geliefert haben, welche die Zielgenauigkeit der Raketen steigern. Angeblicher Auftragswert des deutsch-irakischen Deals: Rund 30 Millionen Mark. Auch die Lieferung der Zentrifugen-Teile ist den Ermittlungsbehörden schon seit geraumer Zeit bekannt. Rüdiger Bagger: „Für uns nichts Neues“.

Während sich die Plath-Manager zu dem Zentrifugen-Deal bislang nicht äußern mögen, weist der inzwischen in den Ruhestand abgewanderte Ex-Geschäftsführer Norbert Kliemann die Anschuldigung, Raketenkompaß-Teile in den Irak geliefert zu haben, mit der Behauptung zurück, seine Firma könne „derartige Geräte gar nicht bauen“.

Bemerkenswert daran: Der Produzent von nautischen Geräten begründete seinen international hervorragenden Ruf in der Branche vor allem als Spezialist für die Entwicklung von Kreiselkompassen, die sich im Gegensatz zu ihren magnetischen Konkurrenten nicht durch erdmagnetische Störungen beeinflussen lassen. Fast jeder vierte weltweit verwendete Kreiselkom-

1paß trägt heute den Namen Plath. Und genau diese Art Navigatoren sollen auch die irakischen Todesgeschosse dirigieren.

Zwar ist das 1837 gegründete Unternehmen vor allem als Ausrüster im maritimen Bereich bekannt, doch ist man bei Plath schon des öfteren in die Luft gegangen. 1962 wurde die Traditionsfirma von dem amerikanischen Rüstungskonzern Litton-Industries geschluckt; vor allem deshalb, weil Plath die Navigationsgeräte für das Starfighter- Programm fertigen konnte. Der kalifornische Konzern hat neben Kompaß-Plath noch eine weitere deutsche Tochter: die Bielefelder

1Maschinenbaufirma „Gildemeister“, die federführend an der Errichtung eines umgerechnet 1,6 Milliarden Mark teuren Militärforschungszentrums im Irak beteiligt gewesen ist, welches das größte seiner Art im gesamten Nahen Osten sein soll.

Zudem zwingen Absatz-Probleme den Hamburger Navigations- Geräte-Hersteller dazu, sich nach neuen Märkten umzuschauen: Wegen der schlechten Wettbewerbslage im internationalen Schiffbau sank der Umsatz von Plath in den vergangenen Jahren beständig; mußte das Unternehmen im Herbst 1991 80 seiner Mitarbeiter entlassen. Zwar entfallen vom Gesamt-

1umsatz des Unternehmens noch immer rund 70 Prozent auf die Handels- und Yachtschiffahrt, doch hat Plath bereits ein Bein in den Rüstungsgütermarkt bekommen: Die restlichen 30 Umsatzprozente werden mit sogenannter „Sondertechnik“ für Industrieunternehmen, aber auch mit sogenannten „semimilitärischen Geräten“ vor allem für die Marine gemacht.

80 Prozent der Firmeneinnahmen werden durch Exporte erzielt. Wichtigste Abnehmerländer sind nach Firmenangaben die USA, Großbritannien, Italien und Indonesien. Vom Irak ist dabei offiziell nicht die Rede. Marco Carini