Neulich...

■ .... ... beim Denken

Neulich ...

... beim Denken

Was ist oder bleibt eigentlich von Weihnachten, dachte ich mir neulich, als ich sonst nichts zu denken hatte: eine Handvoll Geschenke, ein Mundvoll Reh, ein Augevoll Kerze? Pfui, wie banal, rief ich mir zu und dachte an meinen einen Kirchenbesuch, als die Orgel so brummbrausend in mein ungläubiges Ohr gefahren war. Bloß weil mir einmal feierlich sein wollte, war ich ins Haus des Herrn geschlichen - denn wo sonst sollte eine im Kaufrausch gefallene Seele Stütze und Besinnung erfahren wenn nicht im Bauch der Kirche?

Aber ach, inmitten jubelnder Orgelakkorde warfen krumme Mütterlein Groschen in tiefe Opferstöcke, entzündeten weitläufige Großfamilien Teelichter für alle Lieben, schlurften Greise im Kreise um Weihwasserschalen, stöckelten fromme flotte Bienen hin und her, um reumütig ihren Nerz aufzutragen.

Und so floh ich den heiligen Ort und setzte all meine Hoffnung aufs Fest selbst. Und wirklich brannte der Baum, die Augen leuchteten feucht, im Radio jubilierten auf Kommando alle Engelein, als müßte ein Nest im Himmel sein; schließlich standen Markt und Straßen auch verlassen, kurz: alles hätte so schön sein können, wären da nicht die Präsente gewesen! Mysterien unergründlicher Schenkideen taten sich auf wie ein Schlund: von keramischen Sofahunden über DIN-A3-Geburtstagskalender bis hin zu Mon Cherie.

Die einzig Originelle war wieder Tante Mia: Nachdem sie bei WMF schon einen Eierschneider, einen Eiercatcher, eine als Tomate verkleidete Eieruhr, einen formschönen Eierpiekser, sechs Eierbecher und sechs Eierlöffel für uns entdeckt hatte, setzte sie dieses Jahr allem die Spitze auf und schickte einen Eierköpfer! Stellen Sie sich erst gar nichts vor, es würde der Wirklichkeit nichts nützen.

Tja, was also bleibt von Weihnachten außer Wachsflecken und geköpften Eiern? Vielleicht gar ein authentisches Fernseherlebnis? Dulieberhimmel: Fernsehen!! Weit und breit keine Sissi, keine Romy, kein Bing Crosby. Vereinzelt verkarstete Serien von Anno Schnee.

Herrjesus, sollte denn ganz Weihnachten umsonst gewesen sein? Schon wollt' ich verzweifeln, da ruft gestern ein feines Stimmchen durch den Äther. „Halloo, meine Liebe! Wie geht's?“ Und, was soll ich sagen, es war fernmündlich ein verschollener exdicker Freund. Ich stammle nanu und jawas und bistdus und wieso grade mir und jetzt? Da sagt er: „Ist nicht noch Weihnachten?“ Richtig! Claudia Kohlhase