Senat will Jugendsekten entgegentreten

■ Jugendverwaltung hat ressortübergreifenden Koordinierungskreis eingerichtet/ Umstrittene Scientology-Kirche versucht, in Berlin Fuß zu fassen

Berlin. Der Senat will sogenannten Jugendsekten und pseudotherapeutischen Gruppen, darunter der Scientology Church, in Berlin aktiv entgegentreten. Die Senatsverwaltung für Jugend hat deshalb einen ressortübergreifenden Koordinationskreis eingerichtet, teilte die Behörde mit. Dieser solle „das Problembewußtsein in bezug auf das Wirken der konfliktträchtigen religiös-fundamentalistischen Bewegungen in die Fachverwaltungen tragen und Maßnahmen koordinieren.“ Ferner sollten den Bürgern „sachlich begründete und gleichwohl kritische Informationen“ über diese Gruppierungen zur Verfügung gestellt werden.

Besonderes Augenmerk wird dabei auch auf die Scientology- Kirche gerichtet. Die geistigen Grundlagen der umstrittenen Sekte wurden von dem Amerikaner Lafayette Ronald Hubbard (1911 bis 1986) in den fünfziger Jahren geschaffen. Experten warnen vor allem vor den totalitär ausgeprägten Grundprinzipien, der straffen Reglementierung und der möglichen gänzlichen Abschottung der Mitglieder von der Außenwelt. Darüber hinaus mehren sich die Zeichen, daß die „Wissenschaftliche Kirche“ mit Tarnfirmen und Unternehmensberatern versucht, in der Wirtschaft Fuß zu fassen. Fachleute schätzen, daß der Psycho-Konzern bundesweit einen Jahresumsatz von über 150 Millionen Mark verbucht. Aggressive Anwerber, hohe Preise für Heilsversprechen und wirtschaftliche Ausbeutung höriger Kunden haben das Unternehmen – als eingetragener Verein steuerpriviligiert – zu einem Marktführer der Kult- Branche werden lassen.

Um über Ziele und Absichten der Scientology Church und ähnlicher Bewegungen aufzuklären, wird in Berlin eine spezielle, didaktisch für Jugendliche aufgearbeitete Materialmappe entwickelt. Außerdem ist ein Ausbau der staatlichen Beratung für Interessierte und Betroffene vorgesehen, da das Bundesverwaltungsgericht im März 1992 die Förderung privater Vereine zum Thema „Jugendreligionen/Jugendsekten“ für rechtswidrig erklärt hat.

Wie aktuell diese Thematik ist, verdeutlichen Informationen der Jugendverwaltung zu Scientology. Zwar seien an Berliner Schulen noch keine Broschüren der Sekte aufgetaucht, aber die Jugendämter hätten bereits eine Werbeschrift der Münchner Scientology-Niederlassung für ein Drogenrehabilitationsprogramm erhalten. Darüber hinaus sei die Sekte in Berlin durch Kurse, Anzeigenaktionen in den Medien, den Verkauf von Büchern und Kassetten sowie durch einen kostenlosen Persönlichkeitstest zur Mitgliederwerbung bekannt geworden.

Mit dubiosen Methoden habe auch die Personalberatungsfirma „U-Man“ auf sich aufmerksam gemacht. Sie habe Unternehmen, Banken und Versicherungen Inhalte von Scientology-Kursen als Personalauswahlverfahren angeboten. Für die Jugendverwaltung ist „damit der Versuch unternommen worden und teilweise auch gelungen, direkt oder indirekt Einfluß auf die Personalauswahl Berliner Firmen im Sinne der Scientology auszuüben“. Ähnlich habe eine mittlerweile in Neuenhagen ansässige Werbefirma agiert. Das Unternehmen habe über Stellenanzeigen Interessenten angeworben und Arbeitsangebote an Kursteilnahmen bei Scientology geknüpft.

Für Berlin liegen laut Jugendverwaltung keine Mitgliederzahlen der Scientology Church vor. Der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche schätze die Zahl der Scientology-Kursabsolventen auf 5.000 bis 10.000, der Grad der organisatorischen Einbindung sei aber schwer zu beurteilen. Jedoch scheine bei Scientology jegliche Kursteilnahme mit einer Mitgliedschaft verbunden zu sein.

Bundesweit würden derzeit 20.000 bis 70.000 Mitglieder von Scientology angenommen. ADN