Durchs Dröhnland
: Knorke wummernde Gitarren

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Hervorgegangen aus Oh Yeah Crap!, Tina Has Never Had A Teddy Bear, Drys & Wet und Struggel For Fun sind Pizza Brain fast so etwas wie eine Ostberliner Supergroup. Sie lieben es kurz, sind experimentell und trotzdem proporientiert. Bläser schmeicheln sanft oder dröhnen soulig, und die Gitarren flirren schon mal, als wäre eine gute alte Rickenbacker im Spiel. Trotz des offensichtlichen Bemühens um den eingängigen Popsong bleiben Pizza Brain immer sperrig, schon wegen Bend Quittkats Stimme und seines Akzents bei den englischen Texten, und vor allem wegen der Kürze der Stücke: Bevor man sich überhaupt an eine der unzweifelhaft schönen Melodien gewöhnt hat, ist's schon wieder vorbei. Außerdem mischen sich zwischen die Popsongs immer wieder ganz klassische Punksongs oder einfach zehnsekündige Kreischrocker. Gern gecovert werden die Undertones, was nicht unpassend ist, auch wenn Pizza Brain eher kunstvoll verquer sind, wo die Undertones ihrer urbanen Liebe zum klassischen Soul frönten. Zu eigen ist beiden Kapellen die gelungene Verknüpfung einfacher Pop-Harmonien mit punkscher Radikalität und Gitarrenarbeit. Bei den Iren kam dann Tanz, bei den Ostlern kommt Kunstanspruch heraus. Aber das ist ein allgemeines deutsches Manko.

Am 2.1. um 21 Uhr im Schokoladen-Mitte, Ackerstraße 169/ 170, Mitte

Sie sind vielleicht nicht innovativ, aber sie haben Herz. Eine Eigenschaft, die zu vielen Metal- Bands zu oft abgeht. Aber die Berliner Crunchmuthas werden sich nie an die fetten Fleischtöpfe spielen, weil sie für den hartumkämpften Metal-Markt zu wenig extrem sind. Sie knüppeln nicht und sie beißen Fledermäusen nicht die Nacken durch, aber sie können das satte Riff und vor allem die hübsche Melodie, und allein das macht sie im tristen Berliner Sumpf zu leise schillernden Blümchen. Solange der ganz große Erfolg weiter auf sich warten läßt, können sie wenigstens ihre Skateboard-Künste verfeinern.

Am 2.1. um 1 Uhr im Café Swing, Nollendorfplatz, Schöneberg

Ihren bisherigen künstlerischen Höhepunkt hatte Jocelyn B. Smith durch die Mitwirkung beim deutschen Soundtrack der Walt-Disney-Schmonzette „Arielle, die Meerjungfrau“. Zumindest für meine vierjährige Tochter macht sie das zum Star. Wenn Jocelyn B. Smith ihre Stimme nicht gerade Bubblegum-Pop-Produktionen leiht, singt sie solo mit spartanischer Begleitung oder mit ihrer Soul-Kapelle, die früher einmal Married Men hieß und jetzt wieder schlicht Band heißt. Von den einschlägigen Gazetten wird sie gerne Soul-Queen genannt, was ohne Zweifel stimmt, wenn man Soul als sauberes Abtasten ausgelutschter Harmonien versteht. Leider wird Smith allzu oft von der eigenen technischen Finesse kaltgestellt, und Soul hat nun mal was mit Wärme zu tun.

Am 2. und 3.1. um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg

Die Benjamins stockten ihre Combo auf neun Personen auf, engagierten sich Bläser und Background-Chor und wollen jetzt mehr Soul. Augenzeugen habe ich bisher noch nicht gesprochen, aber wenn man es recht bedenkt, dürfte das ehemalige Trio noch am ehesten das Format haben, in dieser Stadt so etwas in die Tat umzusetzen. Auch wenn dann vielleicht nur Kindersoul herauskommt, es ist den Versuch wert.

Am 3.1. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Unendliche Weiten... Nein, nicht vom Weltraum, von Texas ist hier die Rede. Austin liegt da, und Austin hat eine beeindruckend lebende Musikszene, wie der Austin-Abend im Quasimodo im Rahmen der BID bewies. Vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Austin eigentlich nicht mehr als eine Kleinstadt ist oder jedenfalls so wirkt. Auch Michael Hardie kommt aus Austin, spielt aber kaum Country, sondern Blues. Auf „Houston Blues“ gab ihm sogar der B.B.King-Gitarrist Milton Hopkins die Ehre, woran man leicht ersehen kann, wohin die Reise geht: urbaner Blues, ganz schlicht, sehr traditionell. Seit letztem Sommer hat sich Hardie in Berlin niedergelassen und seine Heimat hört man nur noch in wenigen, versteckten Country-Einflüssen heraus.

Am 6.1. um 21 Uhr im Casa, Greifswalder Straße 204, Prenzlauer Berg (Eintritt frei), und am 7.1. um 22 Uhr im Franz

Früher einmal waren St.Vitus die großen Vorbilder von Count Raven aus Schweden. Irgendwann aber haben die Nordlichter wohl erkannt, daß sie niemals die einsame Klasse der schwerblütig rotierenden Doom-Könige erreichen werden, und es aufgegeben, nach den Grenzen der Langsamkeit und den möglichen Maximallängen von Koteletten zu forschen. Zu allem Überfluß mußten sich auch noch ihren Sänger Chris Linderson an St.Vitus abtreten und widmen sich nun wieder flotteren Klängen, ohne allerdings auf die knorken wummernden Gitarren zu verzichten.

Am 7.1. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg Thomas Winkler