Dunkle Wolken am Wirtschaftshimmel der Stadt

■ Jüngster Bericht zur wirtschaftlichen Lage läßt für Berlin nichts Gutes erwarten/ Deutliche Zunahme bei den Kurzarbeiterzahlen/ Ein Viertel im Osten arbeitslos

Berlin. Keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt – so lautet bündig die Prognose des jüngsten Wirtschaftsberichts für Berlin. Im Gegenteil: Wegen der anhaltenden konjunkturellen Flaute wird mit dem Abbau weiterer Arbeitsplätze gerechnet – vor allem in der Industrie. Dies geht aus dem jüngsten Bericht zur wirtschaftlichen Lage hervor, den Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) zum Jahresende vorgelegt hat.

Demnach erwarten die Experten einen Rückgang bei den Beschäftigtenzahlen um 1,5 bis 2 Prozent, nachdem seit dem Mauerfall im Westen eine deutliche Ausweitung auf diesem Sektor zu beobachten war. Im vergangenen Jahr gingen in Westberlin 1.045.000 Personen einer Arbeit nach, 12 Prozent mehr als noch vor drei Jahren. Konträr dazu die Lage im Ostteil der Stadt: 470.000 Menschen hatten 1992 dort einen festen Arbeitsplatz, rund 300.000 weniger als noch 1989.

Bei den Kennziffern zur Arbeitslosigkeit war bis Ende letzten Jahres eine deutliche Zunahme zu verzeichnen. Im Durchschnitt kam Westberlin auf 109.000 Arbeitslose, ein Zuwachs um 17,5 Prozent gegenüber 1991. Besonders betroffen waren Ausländer. Dramatischer sieht die Lage im Ostteil aus: Zwar registrierten die Arbeitsämter einen Rückgang um 11,5 Prozent – doch diese Angaben täuschen. Rechnet man nämlich alle Betroffenen zusammen – worunter auch Kurzarbeiter, Personen in Weiterbildung und AB-Maßnahmen fallen –, so waren im November 154.000 Menschen arbeitslos. Das sind immerhin 25 Prozent aller erwerbsfähigen Personen in der ehemaligen Hauptstadt der DDR. Insgesamt ergab sich für Berlin 1992 folgendes Bild: Die Arbeitslosenquote stieg auf 12,5 Prozent und legte damit zwei Punkte gegenüber 1991 zu.

Kaum besser sieht es bei den Angaben über die Kurzarbeiter aus – ein Gradmesser für die ökonomische Situation. Vor allem in der Westberliner Elektrotechnikindustrie, im Maschinen-, Stahl- und Leichtmetallbau wurde mit durchschnittlich 6.500 Kurzarbeitern der höchste Stand seit acht Jahren erreicht. Auch für 1993 werden keine spürbaren Verbesserungen erwartet. Fazit des Berichts: „Die meisten aktuellen Konjunkturindikatoren zeigen nach unten.“ In den Westbezirken erwarten die Experten daher beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) kaum Zuwächse – mit mehr als 0,5 Prozent wird nicht gerechnet.

Anders im Ostteil: Die gesamtwirtschaftliche Produktion im laufenden Jahr soll zwischen 5 und 7 Prozent ansteigen. Ein Wert, der allerdings an den Entwicklungen der vergangengen Jahre zu messen ist. Immerhin schätzt Meisners Bericht den Rückgang des BIP in Berlin 1991 auf 32 Prozent ein – mit einer langsamen Erholung im vergangenen Jahr. Zuwächse werden im Ostteil hauptsächlich auf das Baugewerbe und die Dienstleistungen beschränkt bleiben, während in der Industrie kaum eine Besserung zu erwarten ist. Hier wirkt sich – neben der Umstellung und Erneuerung der Produktionsanlagen – weiterhin der Zusammenbruch der Exporte in die GUS-Staaten aus. Fazit und Ausblick des Berliner Wirtschaftsberichts: Im Osten sei der mit „dem Umstrukturierungsprozeß verbundene Abbau der Arbeitsplätze noch nicht abgeschlossen“. Severin Weiland