In Kenia beginnt der Machtkampf

■ Staatschef Moi voraussichtlich Sieger der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen / Einzelergebnisse zeigen die Unzufriedenheit der Bevölkerung / Opposition warnt vor Ausbruch von Gewalt

Nairobi (epd) – Das offizielle Endergebnis der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kenia wird noch ein paar Tage auf sich warten lassen. Nach Auszählung von rund zwei Dritteln der Stimmbezirke scheint jedoch festzustehen, daß die Wähler des ostafrikanischen Landes die Erwartungen von Beobachtern und Meinungsforschern erfüllt haben – der eigentliche Kampf um die Macht fängt mit dem voraussichtlichen Sieg von Staatschef Daniel arap Moi aber erst richtig an.

Moi, der das Land seit vierzehn Jahren mit harter Hand regiert und der Einführung des Mehrparteiensystems vor einem Jahr nur unter massivem Druck der Entwicklungshilfe-Geberländer zugestimmt hatte, liegt weit in Führung. Das ist keine Überraschung, denn die Opposition ist in mehrere Parteien gespalten. Ihr war es nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu einigen.

Schlüsselrolle für Oppositionellen

Unter den gegebenen Umständen ist es eher erstaunlich, daß Ex-Minister Kenneth Matiba, der rund ein Jahr lang aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen hatte, einen erheblichen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern erzielte. Er kam auf rund 30 Prozent der Stimmen. Die ursprünglich als aussichtsreich geltenden Kandidaten Mwai Kibaki – langjähriger Minister der Moi-Regierung – und Politik-Veteran Oginga Odinga sind weit abgeschlagen.

Matiba fällt damit eine Schlüsselrolle bei der Bildung einer neuen Regierung zu. Der Oppositionspolitiker hat bereits jetzt ein Mißtrauensvotum gegen Präsident Moi im Parlament angekündigt und erklärt: „Ich werde Gespräche mit allen führenden Oppositionsvertretern beginnen.“ Das ist keine leere Drohung: Zwar steht die Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus noch nicht fest, es zeichnet sich jedoch ab, daß die frühere Einheitspartei KANU Schwierigkeiten haben wird, eine Mehrheit zustande zu bringen.

Einzelergebnisse werfen ein deutliches Licht auf die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Regierung: Mindestens 15 Kabinettsmitglieder, darunter Außenminister Ndoloh Ayah sowie Erziehungsminister und KANU-Generalsekretär Joseph Kamotho, haben ihre Parlamentssitze verloren – und das, obwohl der Verdacht wächst, daß Wahlfälschung und Betrug mancherorts die Ergebnisse verzerrt haben.

Ausländische Beobachter wollten sich in ihrem Urteil noch nicht festlegen, ob die Wahlen in Kenia als „frei und fair“ bezeichnet werden können. In einer Stellungnahme des „Internationalen Republikanischen Instituts“ (IRI) der USA, das mit 54 Delegierten aus 13 Ländern die größte Beobachtergruppe stellt, werden jedoch „Unregelmäßigkeiten im ganzen Land“ am Wahltag festgestellt. Die Liste reicht von unversiegelten Urnen über die Verletzung des Wahlgeheimnisses und den Ankauf von Wählerausweisen bis zur Fälschung von Wählerlisten und Verzögerungen des Wahlprozesses und der Auszählung der Stimmen. „Die Frage ist offen, ob diese Fehler als systematisch oder als gezielter Versuch zu werten sind, eine bestimmte Gegend, einen Wahlkreis oder einen Kandidaten zu benachteiligen“, heißt es in der Erklärung.

Für die Oppositionsparteien ist diese Frage nicht mehr offen. Die Parteien von Mwai Kibaki und Oginga Odinga, die „Demokratische Partei“ und „FORD-Kenya“, haben bereits damit gedroht, das Ergebnis der Wahlen nicht anzuerkennen. „Moi hat sich ins Präsidentenamt zurückgekauft“, erklärte Rechtsanwalt Paul Muite, einer der engsten Mitstreiter Odingas. Und auch Kenneth Matiba hat die Regierung des „offenen und schamlosen“ Wahlbetruges bezichtigt. Die Situation sei kritisch und könne zum Ausbruch von Gewalt führen, warnte er.

Sorgen um Devisen und Wirtschaftshilfe

Bereits der Wahlkampf war von einem Klima der Gewalt und der Einschüchterung oppositioneller Bewerber gekennzeichnet gewesen. Vorwürfe, die Regierung habe öffentliche Gelder mißbraucht, um Stimmen und Oppositionskandidaten zu kaufen, wurden auch von Diplomaten in Kenias Hauptstadt Nairobi bestätigt. Das endgültige Urteil über die Wahlen dürfte wesentlichen Einfluß darauf haben, ob das ostafrikanische Land nun wieder in den Genuß westlicher Wirtschaftshilfe kommt, die teilweise bis zum Nachweis des Bemühens um Demokratisierung auf Eis gelegt worden war.

Kenia ist auf ausländische Gelder dringend angewiesen: Der Tourismus, der wichtigste Devisenbringer des Landes, ist nicht zuletzt wegen der politischen Spannungen dramatisch zurückgegangen, nach Zeitungsberichten gar um bis zu vierzig Prozent. Eine hohe Inflation und mangelnde Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmer verschärfen die sozialen Nöte der Bevölkerung, von der bereits jetzt eine große Mehrheit am Rande des Existenzminimums lebt. Bettina Gaus