SED-Ergebnis für BfG-Verkauf

Die französische Bank CL übernimmt die Mehrheit der Bank für Gemeinwirtschaft/ Gegner von der Abstimmung ausgeschlossen  ■ Aus Aachen Donata Riedel

Die Herren an der Spitze einigten sich auf die Vorgehensweise, das Wahlvolk stimmte mit 96,24 Prozent zu – die Gegner waren zuvor von der Abstimmung ausgeschlossen worden. Das Verfahren nannte sich Demokratie, und hernach konnte der Rubel rollen.

Es geschah aber zu der Zeit, da der Sozialismus abgeschafft war, tief im Westen am Vorabend zu Silvester 1992 auf der außerordentlichen Hauptversammlung einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft.

Die AMB (Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft) beschloß den Verkauf der einstigen Bank der Werktätigen, der BfG-Bank, an eine Staatsbank, den französischen Credit Lyonnais (CL). Noch an Silvester rollten dann zwar keinesfalls Rubel, sondern 460 Millionen Mark als Gesellschafterkredit von der CL in die Kassen der BfG-Bank.

Im Vertrauen auf die Zustimmung hatte CL bereits am Tag vor der aktionärsdemokratischen Abstimmung 540 Millionen überwiesen – als Signal an das weltweite Finanzkapital, daß CL mit der BfG- Bank Großes vorhat und harte Westvaluta dortselbst nunmehr gut angelegt sind. Den heutigen Sanierungsfall BfG, in den bereits die AMB seit 1987 2,5 Milliarden DM gepumpt hatte, will Europas größter Bankengigant zum deutschen Standbein hochpäppeln. Deshalb will CL auch ihr bisheriges Deutschlandgeschäft als Sachwert von 190 Millionen Mark in die BfG einbringen.

Die AMB, die sich somit von der Bilanzhilfe befreit hat, bekommt außerdem vom CL neben 80 Millionen Mark in bar Aktien an einem anderen französischen Staatskonzern, der Versicherung AGF, mit einem angegebenen Wert von 262,5 Millionen Mark. Weil die BfG aber 2,1 Milliarden Mark wert sein soll, nimmt AMB nach den Worten ihres Vorstandschefs Wolfgang Kaske bei der Transaktion einen Verlust von 79 Millionen und einen Abschreibungsbedarf von 162 Millionen Mark in Kauf. Aber, so Kaske gegenüber dem Aktionärsvolk, was solle man in der Marktwirtschaft schon machen, wenn der einzige Kaufinteressent nun mal nicht mehr bezahlen, man selbst aber die Mehrheit an der Bank partout nicht behalten wolle?

Am Ende sämtlicher Aktien- und Millionen-Umschichtungen wird CL 50 Prozent plus eine Aktie an der BfG halten, die AMB eine Sperrminorität von 25,1 Prozent und die bisherige Minderheitsaktionärin, die Gewerkschaftsholding BGAG 25 Prozent minus zwei Aktien. An der AMB wird die AGF, die wie der CL im EG-Binnenmarkt vor allem in Deutschland Wachstumschancen wittert, mit über 25 Prozent die größte Aktionärin der AMB sein. An AMB sind außerdem – neben Streubesitz – die italienische Versicherung Fondiaria (20 Prozent), die Dresdner Bank (10 Prozent), die Schweizerische Kreditanstalt (4,6 Prozent) und ein Versichererpool (6 Prozent) beteiligt. Die bei der Hauptversammlung aus Formalgründen von der Abstimmung ausgeschlossene Gegnerin des deutsch-französischen Deals, die italienische Fondiaria, legte noch während der Hauptversammlung Klage beim Landgericht ein.

Weil Spekulation in der Finanzwelt durchaus üblich ist, darf man natürlich auch die Frage stellen, wie groß das Interesse der AGF am deutschen Versicherungsmarkt tatsächlich ist. Wenn sie das Fondiaria-Paket kaufen würde, wäre sie nämlich nicht mehr allzuweit von einer 50-Prozent-plus-eine-Aktie- Mehrheit entfernt. Die AGF könnte also AMB beherrschen, die CL die BfG-Bank, und der französische Staat als CL- und AGF-Eigner alle zusammen. Bislang, im deutschen Kapitalismus, war das Allfinanzkonzept (Versicherungs- und Bankgeschäft in einer Hand) nicht sehr erfolgreich. Vielleicht kommt ja bald die staatswirtschaftliche Revolution aus dem französischen Finanzministerium.