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Orakel, Logik, Schlaf

„Chaos, I Ging und genetischer Code“ – Wie ein 5.000 Jahre alter Psycho-Computer die Muster des Lebens vernetzt  ■ Von Mathias Bröckers

Chaosforschung, I Ging und genetischer Code“ – eine merkwürdige Kombination, den die amerikanische Philosophin und Psychoanalytikerin Katya Walter mit dem Titel ihres Buchs präsentiert. Was hat ein 5.000 Jahre altes Weisheitsbuch wie das IGing mit einer jungen mathematischen Disziplin wie der Chaostheorie zu tun? Und in welchem Zusammenhang steht ein Orakelsystem des alten China mit den in der Doppelspirale der DNS verschlüsselten molekularen Grundbausteinen des Lebens, dem genetischen Code? Das verbindende Stichwort lautet: Prozeßorientiertheit. In den 70er Jahren wandten sich einige Mathematiker Prozessen zu, die bis dahin wegen ihrer vielfachen Wechselwirkungen kaum zu berechnen waren, denen man aber mit einem neuen Werkzeug, dem Computer, nun auf die Spur zu kommen hoffte: etwa den Turbulenzen und Strudeln in fließendem Wasser, den Luftströmen in der Atmosphäre oder dem ungleichmäßigen Herzrhythmus des Menschen. In allen diesen nicht-linearen, dynamischen Prozessen entdeckte man ein gemeinsames Grundmuster: an bestimmten Punkten schaukelten diese Systeme sich auf und entwickelten ein nicht vorhersagbares, chaotisches Verhalten. Oberflächlich betrachtet schien dieses Chaos rein zufällig und kurzfristig völlig unberechenbar, langfristig jedoch wies es Regelmäßigkeiten auf: merkwürdige Anziehungspunkte – strange attractors – nannten die Mathematiker diese Ordnungspunkte, um die herum das Chaos fluktuierte.

Bei einer Autofahrt hört ein Mann einen alten Schlager über „Bad, bad Leroy Brown“, von dem es im Text heißt, er sei „boshafter als ein Schrottplatzhund“. Diese merkwürdige Formulierung bleibt ihm im Gedächtnis und er stellt sich vor, daß es wirklich solche Hunde gäbe, die ihr ganzes Leben auf einem Schrottplatz verbringen müssen und Tag für Tag böser werden. Als er währenddessen den Sender wechselt, endet dieser Gedankenfluß abrupt: dort läuft ein Werbespot, der den örtlichen Schrottplatz als „Heimat des Schrottplatzhunds“ anpreist. Der Fahrer blickt auf und merkt, daß er gerade an einer großen Autohalde vorbeifährt – auf dem Schild steht: „Heimat des Schrottplatzhunds“.

Sinnvolle Zufälle wie dieser sind Phänomene, die wir im Alltag immer wieder beobachten: das Zusammentreffen von Geschehnissen, die nicht kausal, aber durch einen gemeinsamen Sinn verbunden sind. Solche Ereignisketten gleichen in gewisser Weise den nicht- linearen, periodischen Prozessen, in denen die Mathematiker die Strukturen des Chaos entdeckten. Der Zufall scheint plötzlich ein Muster aufzuweisen, seine Unordnung und Willkür schaukelt sich an merkwürdigen Anziehungspunkten hoch und ergibt mit einem Mal Ordnung, Sinn. Diese Attraktorpunkte können alles mögliche sein: Ereignisse, Namen, Zahlen, Gesprächsthemen oder eben auch ein Schrottplatzhund – gemeinsam ist ihnen, daß sie eine Verbindung zwischen der Psyche des Einzelmenschen und der Außenwelt herzustellen scheinen.

Als ein solcher Vermittler versteht sich auch das IGing, jenes Orakelsystem und „Buch der Wandlungen“, das die Grundlage der chinesischen Kultur bildete und dessen heutige Form auf das 11. Jahrhundert vor Christus zurückgeht. Es besteht aus 64 Zeichen, denen kurze Sprüche zugeordnet sind. Mit diesen Texten, „Bilder“ genannt, strebten die Autoren nicht weniger an als eine Systematik der Welt: „Bilder dessen, was am Himmel und auf der Erde vor sich geht.“ Im Verlauf der Geschichte erfuhr das IGing umfangreiche Kommentierungen und Interpretationen – grundlegend jedoch blieb die Einschätzung, daß es die Muster und die Dynamik des Universums enthalte, den Rhythmus von Chaos und Ordnung, von physischer und geistiger Welt. Und zwar nicht nur in Form von bildhaften Texten und philosophischen Weisheiten, sondern als mathematisches System.

Ein archaischer Computer

Der Code dieses mathematischen Systems besteht aus einer geteilten und einer ungeteilten Linie, Yin und Yang. Als der Mathematiker Leibniz, der Anfang des 18. Jahrhunderts das Rechnen mit nur zwei Ziffern erfunden hatte, von einem Missionar über das IGing erfuhr, erkannte er in den 64 Hexagrammen sofort „sein“ binäres Rechensystem wieder, jene Methode, nach der heute alle unsere Computer arbeiten. Doch das mathematische System des IGing enthält mehr als einen einfachen, aus Entweder/ Oder, Ein oder Aus, Yin oder Yang bestehenden binären Code. Jeder Linie ist eine Zahl zugeordnet, die zwischen Ruhendem und Wandelndem unterscheidet, das heißt die starre Dualität von Yin und Yang zu einer Vierheit differenziert. Diese vier Möglichkeiten wiederum bilden die acht Dreiergruppen – Trigramme – die alle möglichen dreifachen Wechselwirkungen von Yin und Yang aufzeigen und deren paarweise Kombination die 64 Hexagramme ergibt. Diese Wechselwirkungen, die Beziehungen und Verhältnisse untereinander, sind der mathematische Kern des IGing – die Linien sind nicht nur additiv übereinandergestapelt, die Hexagramme nicht einfach linear angeordnet. Die Struktur ihrer inneren Dynamik aber konnte selbst ein genialer Mathematiker wie Leibniz nicht erkennen – erst die modernen Computer ermöglichten, in dynamischen Prozessen die Muster des Chaos zu entdecken. Und erst die Chaostheorie beförderte die Entdeckung, die Katya Walter beschreibt: Daß auch die Mathematik des IGing ein dynamisches, nicht-lineares System darstellt und seine 64 Hexagramme mathematisch dieselbe Struktur aufweisen wie der genetische Code.

Man kann das westliche Modell der Chaostheorie benutzen, um den genetischen Code zu beschreiben. Die Doppelschrauben der DNS bilden ein fraktales Muster, das sich in seiner Form endlos wiederholt, ohne daß es inhaltlich je genau die gleiche Information in Raum und Zeit durchlaufen würde. Das alte chinesische IGing beschreibt denselben dynamischen Prozeß durch die Häufigkeit seiner Linien, die das organisierende Fließen des psychischen Geschehens im scheinbaren Chaos des Alltags sichtbar machen. Seine Hexagramm-Muster erkunden subjektive Resonanzen in der Psyche. Die alten Chinesen nannten diese selbstähnlichen Lebensmuster „Verschachtelungen des Tao“. Heute reden wir von „fraktalen Mustern im deterministischen Chaos, die die Bewegung in Raum und Zeit hervorbringen, welche wir dann Ereignis nennen.“

Schon bald nachdem Watson und Crick in den 50er Jahren die Struktur des genetischen Codes entschlüsselt hatten, war einigen Forschern die Parallele der 64 biochemischen „Grundworte“ dieses Codes mit den Hexagrammen des IGing aufgefallen. Dieser Code, der allen Lebewesen eigen ist, ist aus vier Molekülen zusammengesetzt, die in 64 Dreiergruppen angeordnet sind. In einer Doppelspirale greift jedes dieser sogenannten Tripletts reißverschlußartig in ein anderes, was auf verblüffende Weise den aus jeweils zwei Trigrammen entstehenden I-Ging-Zeichen ähnelt. Aber ist es nicht eine absurde Vorstellung, daß man schon vor über 3.000 Jahren Einblicke in die Grundlagen der Evolution gehabt haben soll? Der Berliner Sinologe Frank Fiedeler widmet sich seit über 20 Jahren der Erforschung des „Buchs der Wandlungen“. Wir fragten ihn, wie die Wissenschaftler im archaischen China zu derart modernen Einsichten kommen konnten?

„Man kann das so erklären, daß die Weltanschauung dieser Leute sehr modern war, weil sie eigentlich evolutionstheoretisch gedacht haben. Es war, konservativ ausgedrückt, eine Fruchtbarkeitsreligion, was aber nicht nur die Konnotation des Primitiven hat, sondern die eigentliche Kultur dieser heidnischen Fruchtbarkeitsreligion bestand eben darin, daß man sich wirklich sehr ernsthaft im Rahmen der damals verfügbaren Begrifflichkeit Gedanken darüber gemacht hat, wie das Leben funktioniert, wie es entsteht und wie seine Gesetze sind. Und im Rahmen dieses kosmischen Bewußtseins, das modern ausgedrückt eine Art Umweltbewußtsein war, hat man praktisch über die Gesetzmäßigkeiten der Evolution so folgerichtig nachgedacht, daß man tatsächlich zu einer Strukturähnlichkeit mit dem genetischen Code kam. Der Grundgedanke dabei, der ja auch mit der modernen Evolutionstheorie übereinstimmt, ist einfach, daß alles Lebende ganz fundamental auf dem Prinzip einer systematischen Anpassung an die Umwelt beruht. Und im Rahmen dieses Prinzips herrscht nicht nur eine kosmische Ordnung, sondern auch der Zufall, also die Polarität von Zufall und Notwendigkeit, von Mutation und Selektion, die im IGing ganz systematisch formuliert ist. Die Selektion ist dem IGing nach die weibliche Funktion, die bedeutet, daß alles was entsteht in die kosmische Ordnung eingepaßt werden muß, daher das Grundprinzip eines Kalendersystems – weil ohne Kalender sich kein lebendes Wesen orientieren kann auf diesem Planeten – auf der anderen Seite das Zufallsmoment, was der Mutation entspricht, wird durch die Orakelprozedur hergestellt, die ja nichts anderes ist als die Herbeiführung von Zufallsentscheidungen. Das IGing ist ein System, das die Grundsituationen der Evolution, Zufall und Notwendigkeit systematisch korreliert, so daß der Zufallsmoment durch die Einpassung in einen kosmischen Kontext Bedeutung gewinnt und sozusagen eine qualitative Struktur des jeweiligen Augenblicks ergibt.“

Der Zufallsmoment, der Bedeutung gewinnt; das Chaos, aus dem sinnvolle Ordnung entsteht; der merkwürdige Attraktor, an dem ein Zahlenwert, Quantität, in Qualität umschlägt – diese Wandlungen sind es, die das IGing zu erfassen sucht. Es versucht in ein systematisches Gerüst zu bringen, was unser Alltagsverstand normalerweise nur in seltenen Momenten registriert, wenn etwa ein kurioser Schrottplatzhund gleichzeitig in Gedanken, im Radio und in der Wirklichkeit auftaucht: die sinnvolle Gleichzeitigkeit, die Koinzidenz von Ereignissen. Das, was der Psychoanalytiker und I-Ging- Forscher C.G. Jung „Synchronizität“ nannte: Wenn man von einem seltenen Käfer spricht und schon fliegt einer ins Zimmer; wenn ein vergessenes Buch aus dem Regal fällt, das genau die Auskunft enthält, nach der wir gerade suchen – und kurz darauf ruft der Besitzer an, der es uns vor Jahren geliehen hat und es dringend braucht.

Das IGing strukturiert die Welt nicht mit Kausalbegriffen, mit Folgen von Ursache und Wirkung, sondern nach Verhältnissen, Entsprechungen, Gleichzeitigkeiten; es interessiert sich nicht dafür, welcher Faktor X den Effekt Y auslöst, sondern welche Ereignisse dazu neigen, in der Zeit zusammenzuspassen. Was die Schöpfer des IGing mit ihrem Orakelsystem intendierten, war keine Wahrsagerei im naiven Sinne: Sie glaubten nicht an ein kausales, deterministisches Universum, dessen mechanisch festgelegte Zukunft durch Bewegung von ein paar Pflanzenstengeln oder einen Münzwurf „vorausgesagt“ werden können. Vielmehr hegten sie den Anspruch, mit den 64 Orakelzeichen die Grundmuster des Lebens entdeckt zu haben, die Keime, aus deren Kombination und Wandlung alle möglichen Ereignisse hervorgehen.

Das Chaos des Tao

Man kann das IGing als eine Art Landkarte verstehen: als Weltatlas einer unsichtbaren Zeitlandschaft, die sowohl der geistigen wie der physischen Welt zugrundeliegt. Wer dieses Orakel befragt, erhält keine Vorhersage einer festliegenden Zukunft, sondern Auskunft über die Dynamik des Augenblicks, über das Potential einer bestimmten Situation, über mögliche

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Fortsetzung

Wege und Gabelungspunkte. Katya Walter vergleicht dies mit den Gabelungen, den Bifurkationen, von denen die Chaostheorie spricht: die kritischen Punkte, an denen Chaos und Ordnung ineinander übergehen und sich ein System für eine bestimmte Richtung entscheidet. In vielen Naturprozessen, so hat man mittlerweile entdeckt, tauchen diese kritischen Punkte regelmäßig auf – das Chaos ist periodisch, zyklisch und folgt einem Muster. Und so wie sich an den Bifurkationspunkten der Fortgang organischer Prozesse, ihre Wachstums- und Fließbewegungen entscheiden, so stellt die Landkarte des IGing die Ereignis-Felder dar, an denen sich geistige Prozesse entscheiden. Wie kommt es aber, daß die Grundmuster dieses Weltaltlas der Seele, die Struktur der 64 Orakelzeichen, auf so eklatante Weise der Struktur des genetischen Codes, dem Grundmuster allen Lebens gleicht? Haben wir von der durch die Chaosforschung auf den Weg gebrachten Entschlüsselung des IGing eine neue Evolutionstheorie zu erwarten? Frank Fiedeler:

„Also ,neue Evolutionstheorie‘ würde ich das nicht nennen. Aber aufgrund der Isomorphie zwischen IGing und DNS kann man die ganze Geschichte der Entstehung des IGing beziehungsweise der Konstruktion des IGing, die in den Kommentaren ziemlich genau erklärt ist, diese ganze Theorie kann man direkt auf die Entstehung des genetischen Codes übertragen. Und wenn man das tut, wie ich es in meinem Buch gemacht habe, findet man eben heraus, daß nicht nur das IGing, sondern auch die DNS ein ganz raffiniertes, numerisches Kalendersystem ist, und das bedeutet eben, daß der genetische Code in seinem Kern ein Kalendersystem ist, das dem irdischen Leben als Orientierungssystem für alle ganz fundamentalen Lebensfunktionen dient. Diesen Vorschlag so vorzugehen, hat schon der amerikanische Molekularbiologe Gunter Stent gemacht, im Jahr 1969, daß man diesen Pfad über die altchinesische Philosophie gehen sollte um die Geschichte des genetischen Codes zu erforschen. Das IGing ist besser geeignet als alle anderen kulturgeschichtlichen Zeugnisse, ein Bewußtsein zu gewinnen, das wirklich diesen gentechnischen Erkenntnissen und Neuerungen in unserem Jahrhundert gerecht zu werden vermag. Wir haben ja kein Bewußtsein, das dafür geeignet ist. Und das IGing ist eben auch geeignet, ein Bewußtsein für die irdische Umwelt zu erzeugen, eine Philosophie der Umwelt, die ja trotz der lautstarken ökologischen Bewegungen in unserer Zeit noch nicht existiert.“

In seinem Buch „Die Monde des IGing“ hat Fiedeler gezeigt, daß der Umweltcharakter des „Buchs der Wandlungen“ wörtlich zu nehmen ist: in seiner Grundform stellt das IGing einen Mondkalender dar. Die 64 Hexagramme sind eine binäre Symbolform des Kalenderhimmels, die sämtliche Rhythmen des Naturgetriebes exakt wiederspiegeln. Und diese kosmische Handschrift des Mondes ist es auch, die für die Strukturgleichheit von IGing und genetischem Code verantwortlich ist – auch die Moleküle der DNS folgten bei ihrer Strukturbildung dem Zyklus des Mondes, der fundamentalen Makro-Struktur der natürlichen Umwelt.

Dieses alte chinesische Orakel hat also wenig mit Zahlenmystik und Esoterik zu tun, sein System ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern vom konkreten Himmel abgelesen, und niedergelegt wurde es nicht in magischen Zeichen, sondern in einer logischen Computersprache. Insofern können die 64 Hexagramme des IGing als die erste Computer-Hardware der Menschheitsgeschichte gelten, ein mathematisches Betriebssystem, das von seinen Programmierern nun mit Software bestückt wurde: den Orakelsprüchen.

Das IGing war das strukturbildende Vehikel zur Herausbildung der chinesischen Schriftsprache: die Symbolbedeutungen der 64 Zeichen sollten das geistige Weltgetriebe ebenso vollständig umfassen wie der Kalender das natürliche. Das Zahlensystem dieses Orakels steht exemplarisch für die Vorgänge der Natur, während die Symbolbedeutungen die Grundvorgänge des Denkens und die Funktion des menschlichen Geistes simulieren – das IGing ist Bio- Computer und Psycho-Computer zugleich. Wird dieser Computer befragt, zieht er den Fragenden in die universellen Grundvorgänge des Lebens und des Denkens hinein und diese Universalität macht es, daß seine Antworten auch nach 5.000 Jahren noch zutreffen. Die Weisheit des IGing, die schon manchen Ratsuchenden schockiert hat, kommt nicht aus einem Wissen über eine vorherbestimmte Zukunft, sondern aus der Kenntnis von Tiefenstrukturen, von Grundmustern der Natur und des Geistes, die das Potential aller möglichen Zukünfte enthalten.

Keine Mystik

Im heutigen China, wo das „Buch der Wandlungen“ das heiligste Buch des Konfuzianismus darstellt, ist der Bezug zum IGing eine Angelegenheit des Glaubens und der Religion, und auch im Westen, wo die Alternativbewegung der 60er Jahre es wiederentdeckte, gilt die Beschäftigung mit dem IGing als mystisch und irrational. „Dem Zufall eine Absicht zu unterstellen“, schrieb Arthur Schopenhauer, „ist entweder der Gipfel der Absurdität oder tiefste Tiefgründigkeit“. Betrachtet man die rationalen Grundlagen des I-Ging-Systems, scheinen die Muster des Zufalls, die es beschreibt, eher tiefgründig als absurd. Erst die moderne westliche Wissenschaft war in der Lage, den rationalen Kern dieses archaischen östlichen Mythos offenzulegen und ironischerweise bedurfte es eines neuen Werkzeugs, des Computers, um zu erkennen, daß es sich bei diesem Orakelsystem um nicht weniger als die Urform des Computers handelt. Schon in den 70er Jahren hat es Ansätze gegeben, die Parallelen zwischen IGing und genetischem Code offenzulegen, doch sie scheiterten an ihrem ausschließlich linearen Ansatz. Erst die Kapazität moderner Rechner ermöglichte es, komplexe, nicht-lineare Wechselwirkungen zu betrachten und im scheinbaren Wirrwarr des Chaos Muster zu entdecken; erst die Chaostheorie war in der Lage, die ganze Tiefe des I-Ging-Systems zu ermessen. C.G. Jung, der sich lange Jahre seines Lebens mit dem „Buch der Wandlungen“ beschäftigte, sagte einmal: „Je weniger man über die Theorie des IGing nachdenkt, desto besser schläft man.“ Wer aber Katya Walter liest, erleidet keine Schlaflosigkeit.

Literatur:

Richard Wilhelm (Hrsg.): „IGing – Das Buch der Wandlungen“. Diederichs-Verlag, 643S., 39,80DM

Katya Walter: „Chaos, IGing und genetischer Code“. Aus dem Amerikanischen von Hanna Moog, Diederichs-Verlag 1992, 355S., 42DM

Frank Fiedeler: „Die Monde des IGing – Symbolschöpfung und Evolution“. Diederichs-Verlag 1988, 304 S., 24DM

F. David Peat: „Synchronizität – Die Verborgene Ordnung“. Goldmann-Verlag (zuerst 1989), 286S., 12.80DM

Allan Combs/Mark Holland: „Die Magie des Zufalls – Synchronizität, eine neue Wissenschaft“. Rowohlt-Verlag 1992, 244 S., 12.90DM

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