Mörderischer Rachefeldzug in Tadschikistan

■ Freischärler wüten in Duschanbe

Duschanbe (taz) – Die Hauptstadt von Tadschikistan, Duschanbe, ist derzeit Schauplatz eines blutigen Rachefeldzugs kommunistischer Freischärler, die vor drei Wochen in die Metropole der entlegenen muslimischen Republik des ehemaligen Sowjetreiches einmarschiert sind. Hunderte meist verstümmelte Leichen liegen in den Straßen, täglich „verschwinden“ Dutzende von Menschen.

Die Freischärler aus der Region Kulab im Zentrum des tadschikischen Hochlandes veranstalten seither eine regelrechte Treibjagd auf vermeintliche Gegner aus Badachschan, traditionell Rückzugsgebiet und Hochburg der islamisch-demokratisch-nationalistischen Opposition. Schwert und Schild der Freischärler ist Sangak Safarow, ein ehemaliger Sträfling, der wegen Mord und Unterschlagung im Gefängnis saß und selbst aus Kulab stammt. Er befehligt acht- bis zehntausend bewaffnete junge Männer aus seiner Heimatregion, die sogenannten „Kulabi“. Sie kontrollieren PassantInnen in den Straßen Duschanbes, um der verhaßten „Badachschani“ habhaft zu werden. Ein „falscher“ Herkunftsort kann in Duschanbe schon tödliche Folgen haben.

50.000 Menschen haben bereits ihr Leben verloren, seit der Bürgerkrieg in Tadschikistan vor sechs Monaten begann. Fast eine halbe Millionen, vor allem Frauen, Kinder und alte Männer, sind auf der Flucht aus den Kampfgebieten. 100.000 von ihnen haben sich über den Grenzfluß Amu Darja nach Afghanistan in Sicherheit gebracht, das selbst von einem Bürgerkrieg heimgesucht wird.

Hintergrund des unbeschreiblichen Gemetzels sind diesmal nicht ethnische, religiöse oder ideologische Konflikte. Es geht vielmehr um einen von der um ihre Privilegien bangenden kommunistischen Nomenklatura geschürten, wahnwitzigen Lokalchauvinismus. Das tadschikische Desaster begann, als die Bevölkerung von Duschanbe den kommunistischen Staatschef Rahman Nabijew im vergangenen Sommer zum Rücktritt zwang. Als die oppositionelle Koalition, die die postkommunistische Ära am Pamir repräsentiert, an die Macht kam, riefen die Kommunisten zu den Waffen. Seiten 10 und 11