Normalität statt Katerstimmung

■ Wirtschaftssenator Krupp glaubt nicht an magere Jahre / Wirtschaftsbilanz 1992 zeigt deutlich: Hamburg geht's doch gold

1992 zeigt deutlich: Hamburg geht's doch gold

Der Mann denkt ein bißchen anders als sein Senatschef, als Kanzler Kohl und auch als die Herren Währungshüter in Frankfurt. Professor Hans-Jürgen Krupp, seines Zeichens Wirtschaftssenator und Hamburgs stellvertretender Bürgermeister, hält nichts vom Krisengejammer seiner Politiker-Kollegen. Für ihn ist die aktuelle „wirtschaftspolitische Katerstimmung“ nichts anderes als die Rückkehr zur „Normalität“ nach dem Wiedervereinigungs-Boom. Besonders in Hamburg, so versuchte Krupp ge-

1stern anhand seines Jahreswirtschaftsberichts zu belegen, besteht kein Anlaß zu „tiefem Selbstmitleid“.

Anhaltspunkte: Wirtschaftswachstum und Steigerung der Beschäftigtenzahlen lagen in Hamburg 1992 weit über dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer. Als einziges Land konnte Hamburg ein Absinken der Arbeitslosenzahlen verzeichnen. Und: Hamburg profitierte im vergangenen Jahr von der deutschen Einheit und wird dies auch künftig tun. „Der langfristige

1Trend der Hamburger Wirtschaft“, so Krupp, „zeigt einen deutlichen Niveausprung.“

Entsprechend optimistisch fällt der Blick aufs neue Jahr aus: Auch hier erwartet Krupp eine bessere konjunkturelle Entwicklung als in der Rest-Republik. Die Korrekturzeichen, die Krupp im kommenden Jahr in der Hamburger Wirtschaftspolitik setzen möchte, fallen denn auch sparsam aus. Ein wenig Förderung von Industrie und Handwerk, um den Dienstleistungssektor nicht allzu übermächtig werden zu lassen; Ausbau der technologischen Infrastruktur; Erschließung neuer Gewerbeflächen. „Einen Rückfall zu den Verhältnissen der 80er Jahre mit schrumpfender Bevölkerung und stagnierender Wirtschaft“ wird es nach Ansicht Krupps jedenfalls nicht geben.

Mit dieser optimistischen Prognose setzt sich der Wirtschaftssenator deutlich in Widerspruch zu seinem Chef Henning Voscherau, der sich noch vor einer Woche darum bemüht hatte, die Hamburger auf bevorstehende „magere Jahre“ vorzubereiten. Sparen, Sparen sei angesagt.

Krupp sieht das ein wenig anders. Er warnt davor, „die Konjunktur kaputtzusparen“. Und zwar weder durch den Griff ins Portemonnaie der kleinen Leute noch bei Investitions- und Subventionsausgaben der öffentlichen Haushalte. Des Wirtschaftssenators Rezept zum Griff unter die Arme der schwächlichen gesamtdeutschen Wirtschaft: „Im Zweifel die Kreditaufnahme rauffahren“. Und „eine Notenbankpolitik, die der Konjunkturlage durch Zinssenkung Rechnung trägt“. Das genaue Gegenteil also von jener Politik, die Bonner Regierungskoalition und Frankfurter Bundesbank derzeit bevorzugen.

Bei soviel Unzufriedenheit mit der Währungspolitik ist es wenig verwunderlich, daß Krupp nach wie vor mit dem Posten des Chefs der Landeszentralbank für Schleswig- Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern liebäugelt. Doch ein Signal, daß der Widerstand der CDU und der Währungshüter aufzuweichen beginnt, ist derzeit nicht in Sicht. Krupp wird sich zunächst mit seinem Senatschef über die richtige Wirtschaftspolitik auseinandersetzen dürfen. Uli Exner