Bescheidenheit

■ Betr.: „Trüpel-Ressort: einmalig & modern“, taz vom 24. 12.1992

Daß die Senatorin mit ihrem Ressortzuschnitt zufrieden ist, muß als sympathischer Ausdruck der neuen Bescheidenheit der Grünen gewertet werden („Wir wollen nichts“). Alles ausländerpolitisch Wichtige haben sich andere vorbehalten, z. B. das Ausländeramt: Senator für Inneres, die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen: Senator für Soziales. Das Ressort Ausländerintegration besteht nur aus der „Zentralstelle für Zuwanderung“. Eine Minibehörde, gegründet, weil der damalige Arbeitssenator Wedemeier seine Abteilungsleiterin Lill wegloben wollte und nicht wußte wohin. Unter dem Ampelsenat wurden die ohnehin bescheidenen Finanzmittel der Zentralstelle (1 Million, bei einem Gesamthaushalt von 6,5 Milliarden Mark) spürbar verringert. Die Mittel für Kampagnen, Aktionen usw. sanken um mehr als 40 Prozent! Es gibt also keinerlei positive Raktion des Senats gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit. Im Gegenteil, von der Zentralstelle produzierte gute Informationsbroschüren (etwa zu Fluchtursachen) können nicht mehr nachgedruckt werden, weil das Geld dazu fehlt. Eigentlich ein Skandal, aber wen wundert's noch?

Zu den 1,5 Millionen Mark, die jetzt zusätzlich ausgegeben werden können: Hiermit sind nicht nur zeitlich befristete Ausgleichsmittel für wegfallende ABM gemeint, sondern auch Kulturveranstaltungen, die irgendwas mit „Ausland“ zu tun haben. Etwa das „Festival Lateinamerika“, eine Musikveranstaltung oder die „Japan-Tage“, eine Maßnahme zur Pflege der Wirtschaftsbeziehungen. Ähnliches gab's schon immer, es ist kulturpolitisch sicher sinnvoll, hat aber mit Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit so viel zu tun wie der abendliche Besuch einer Pizzeria.

Paul Tiefenbach