Bremerhaven schuldenfrei

■ Land Bremen übernimmt Schulden und Tilgung / Neues System „gerechter und rationaler“

Für nicht Eingeweihte ein kleines Wunder: Finanzsenator Volker Kröning übernahm gestern satte 828 Millionen Mark Schulden aus Bremerhaven in den Bremer Landeshaushalt — und lächelte noch. Daß sich der Bremerhavener Bürgermeister und Stadtkämmerer Heinz Brandt (SPD) bei der Unterzeichnung freute, ist leichter nachzuvollziehen; mit der Transaktion verliert die Seestadt endlich ihren unrühmlichsten Platz als höchstverschuldete Kommune der Republik. Brandt: „Das ist ja ein gewaltiger Unterschied, ob Sie Schulden haben oder ein anderer!“

Des Rätsels Lösung: Das Ganze verlief kostenneutral für den Bremer Haushalt. Und das ging so: 87 Kreditverträge übernahm das Land und verpflichtete sich damit zu den entsprechenden Zins- und Tilgungsleistungen, über 60 Millionen jährlich. Aber die hatte Finanzsenator Kröning, indirekt, auch zuvor schon bezahlt. Denn 20% der Landes-Steuer-Einnahmen flossen in seine beiden Kommunen, nämlich 15% in die „große Großstadt“ Bremen und 5% in die „kleine Großstadt“ (Kröning) Bremerhaven. Bei dieser Aufteilung sahnte Bremerhaven statistisch umgerechnet 1.000 Mark pro EinwohnerIn und Jahr ab, Bremen nur 700. Das wird jetzt durch die Neuordnung des innerbremischen Finanzausgleichs anders, denn Bremerhaven bekommt weniger, nur noch 3,5%, und das entspricht genau dem Einwohnerverhältnis von 1:4.

Umgekehrt werden jährlich auch die Kommune-Einnahmen ausgeglichen, besonders die Gewerbe-Steuer. Die gibt es in Bremen deutlich reichlicher als in der Schwesterstadt. Und hier ließ sich die Finanzbehörde einen Trick einfallen, der von Bremerhavens Bürgermeister als „Stachel im Fleisch“ empfunden wurde. Bislang bekam Bremerhaven jede Mark, die in Bremen mehr an Gewerbesteuer hereinkam, par Ausgleichszahlung auch aufs Konto — mit einem 10prozentigen Zuschlag noch obendrauf. Am lukrativsten war es also, möglichst wenig Gewerbesteuer einzunehmen — eine absurde Lage. Künftig wird die Gewerbe-Steuer nur zu 90% ausgeglichen - „ein marktwirtschaftlicher Anreiz“, für mehr zu sorgen, kommentierte Kröning zufrieden.

Das Ziel der Bremerhavener Teilentschuldung, so der Finanzsenator, sei die Gleichheit bei der Pro-Kopf-Verschuldung in den beiden Kommunen Bremen und Bremerhaven. Sie beläuft sich nach dem neu geregelten Ausgleich jeweils auf rund 2.000 Mark.

Betrachtet man jedoch den Landeshaushalt, hat jede BremerIn einschließlich des enormen Landes-Schuldenberges von 16 Milliarden Mark jedoch über 20.000 Mark Schulden. Kröning hofft nun auf eine baldige „ähnliche Unterschriftenaktion“ für Bremen mit Bonn. Ein so „rationales Ausgleichssystem“, wie Bremen sich das jetzt ausgetüftelt hat, sei da allerdings nicht in Sicht. Kröning: „Wir gelten als Stadtstaat und müssen alle Mehrkosten des Zwei-Städte-Staats vermeiden. Aber wir müssen im kleinen auch, wie die BRD insgesamt, eine Gleichkeuit der Lebensverhältnisse anstreben zwischen den beiden Städten.“ S.P.