Weiße Angst vorm schwarzen Mann

In Südafrika häufen sich Gewaltakte gegen Weiße – und das führt zu verstärkter politischer Hysterie/ Teile des „Panafrikanistischen Kongresses“ (PAC) im bewaffneten Kampf  ■ Aus Ficksburg Willi Germund

Die gelbe Papptafel am Stacheldrahtzaun ist von Einschußlöchern durchsiebt. Bauer Gene Visser nutzt sie zum Übungsschießen. Auf der Veranda sitzt ein Polizist in Tarnuniform mit Sprechfunkgerät in Griffnähe und Schnellfeuergewehr zwischen den Knien. „Ich bleibe hier, bis die Lage wieder sicher ist“, sagt der junge Mann. In Sichtweite, 500 Meter entfernt, windet sich der Caledon-Fluß durch ein von Felsbrocken übersätes Tal – die Grenze zu dem kleinen Staat Lesotho.

„Viehdiebe gibt es hier seit Hunderten von Jahren“, lamentiert der 44jährige Bauer Visser. „Ich schieße manchmal auch auf die Leute auf der anderen Seite.“ Aber seit Dezember herrscht auf den weit verstreut liegenden einsamen Höfen in der Umgebung des Städtchens Ficksburg Alarmstimmung. Die Ermordung von drei Mädchen und Angriffe auf Weiße in anderen Gegenden Südafrikas in den letzten Wochen haben unter den stockkonservativen Bauern Furcht geweckt.

In Ficksburg gehen Weiße jetzt nur noch bewaffnet auf die Straße. Visser hat mittlerweile 500 Watt starke Scheinwerfer installiert und die Fenster mit Gittern versehen.

PAC zerstritten

Für die Hysterie sorgte die linksextreme Organisation „Volksbefreiungsarmee Azanias“ (APLA), der bewaffnete Arm des „Pan Africanist Congress“ (PAC), Mitte Dezember mit der Erklärung, sie sei für einen Bombenanschlag in einem Golfklub nahe der Stadt Queenstown verantwortlich, bei dem fünf Weiße starben. Die Organisation ist intern gespalten über der Frage einer erneuten Teilnahme am Verhandlungsprozeß zwischen der südafrikanischen Regierung und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC). Während die PAC-Führung auf eine Teilnahme an den Gesprächen drängte, bestanden Teile der Basis und die Armee APLA auf Fortsetzung des Verhandlungsboykotts.

Der Bombenanschlag und die Ankündigung weiterer Terrorakte riefen in den Provinzen Orange Free State und Eastern Cape Erinnerungen an eine Kampagne des APLA-Vorgängers „POQO“ Anfang der 60er Jahre wach. Nach dem Motto „Die Weißen werden leiden, die Schwarzen regieren: Freiheit folgt dem Blutvergießen“ tötete die Gruppierung damals Polizisten und Weiße und plante einen allgemeinen Volksaufstand. Die Bewegung wurde von den südafrikanischen Sicherheitskräften niedergeschlagen.

Nach Informationen der taz ließ die APLA seit Anfang 1992 120 Kämpfer in Eritrea ausbilden – von der einst maoistischen „Eritreischen Volksbefreiungsarmee“ (EPLF), die seit dem Sturz der äthiopischen Mengistu-Diktatur im Sommer 1991 Eritrea regiert und zur Unabhängigkeit führen will. Erste Anzeichen für verstärkte APLA-Aktivitäten in Südafrika gab es im Herbst des vergangenen Jahres, als in der Eastern Cape Provinz plötzlich komplette Getreidefelder in Flammen aufgingen. Und bei den Anschlägen in Ficksburg nahmen die Mörder nach ihren Überfällen nichts mit – oft ein Indiz, daß es sich um politisch motivierte Taten handelt.

Aber Oberstleutnant Ray Harrald von der Elitepolizeieinheit Internal Stability Unit will nicht ausschließen, daß es sich bei den Ficksburger Vorfällen um einen Rinderkrieg zwischen Bauern auf beiden Seiten der Grenze zwischen Südafrika und Lesotho handelt: „APLA und der PAC haben immer gern die Verantwortung für Taten übernommen, die sie gar nicht begangen hatten. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, daß APLA für die Morde in der Umgebung von Ficksburg verantwortlich ist“, sagte er. „Der kommt aus Pretoria“, knurrt Captain Johlene van der Merwe von der lokalen Polizei angesichts dieser Äußerung und beharrt: „Wir können es nicht beweisen, aber wir wissen, daß es sich um eine systematische Terrorkampagne von APLA handelt.“

Ein Urteil, das auch die weißen Bewohner des ebenso schmucken wie verschlafenen Kleinstädtchens Ficksburg gefällt haben. Selbst ein weißer Jogger, der von einem schwarzen Kleinbus-Chauffeur angefahren und tödlich verletzt wurde, ist in den Erzählungen einiger Einwohner ein Opfer der schwarzen Befreiungsorganisation. Rechtsradikale Gruppierungen wie die neofaschistische „Afrikaner Weerstandsbeweging“ (AWB) und die ultrareaktionäre „Konservative Partei“ nutzen die Aufregung, um wieder Stimmung für sich zu machen – zum erstenmal, seitdem sie im vergangenen März in einem Referendum der weißen Minderheit über die Frage der Fortsetzung des Reformprozesses eine schmähliche Niederlage erlitten. Es gab jetzt sogar zwei Vergeltungsanschläge auf Kleinbusse mit schwarzen Passagieren, bei denen ein Mann getötet wurde.

Auch Südafrikas Regierung reagierte: Sie beschuldigt General Bantu Holomisa, den Militärherrscher im Schwarzen-Reservat Transkei, die APLA aktiv zu unterstützen und drohte mit militärischen Vergeltungsschlägen. Holomisa, der enge Kontakte mit PAC und ANC unterhält, soll in der Transkei sogar die Ausbildung von APLA-Kämpfern erlaubt haben.

Der General bestreitet den Vorwurf. Aber ANC-Funktionäre schließen nicht aus, daß die De- Klerk-Regierung die Anklagen zu einem Versuch nutzen könnte, Holomisa zu stürzen. Der Grund: In etwa einem Jahr werden in Südafrika Wahlen für eine Verfassunggebende Versammlung stattfinden.

Die politische Kontrolle über Südafrikas zehn Schwarzenreservate mit ihren rund zwölf Millionen Wählern, so hoffen Strategen der weißen Minderheitsregierung von Pretoria, könnte dann wichtig sein, um einen überwältigenden Wahlsieg des ANC und Nelson Mandelas zu verhindern.

Neue Anschläge

Johannesburg (AP) – Mindestens 23 Menschen sind nach Angaben der Polizei am Wochenende bei Unruhen in Südafrika getötet worden. Auf den Bauernhof eines weißen Südafrikaners wurde gestern ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem jedoch niemand verletzt wurde, hieß es im Polizeibericht. Der Anschlag bei Port Elizabeth könnte nach Ansicht der Behörden von Anhängern der APLA verübt worden sein.