Kambodscha „gesetzlos“

■ Schlag für die UNO: Prinz Sihanouk kündigt Zusammenarbeit auf

Berlin/Peking (taz/AFP) – „Wie können demokratische Wahlen mit einer gewissen Legalität stattfinden, wenn Kambodscha wieder das wird, was es nach dem Staatsstreich vom März 1970 war – ein Land ohne Recht und Gesetz?“ Die Frage stammt vom 1970 weggeputschten kambodschanischen Staatschef Prinz Sihanouk und ist an die UNO gerichtet, die das Land gegenwärtig zu freien Wahlen führen soll, wobei sich Sihanouk den Präsidentensessel erhofft. Enthalten ist die Frage in einem Brief, in dem Sihanouk seine Zusammenarbeit mit der UNO- Übergangsverwaltung in Kambodscha (UNTAC) aufkündigt. Das Schreiben wurde gestern in Peking veröffentlicht, noch bevor es die UNTAC erreichte.

„Extrem schwere, anhaltende und schändliche Verbrechen“ sind, so Sihanouk, in der letzten Zeit gegen seine Partei FUNCINPEC gerichtet worden; fünf Parteimitarbeiter seien zwischen Donnerstag und Sonntag ums Leben gekommen. Die UNTAC, so Sihanouks Sohn Ranariddh, unternehme „nichts, um diese Akte des politischen Terrorismus zu stoppen“.

Sihanouks Verärgerung ist nur die jüngste Wendung in der Krise der UNTAC. Hauptverantwortliche dafür: die Roten Khmer, die nie ihre Waffen abgaben und immer noch der UNO den Zugang zu ihren Gebieten verwehren. Mehrmals vor Weihnachten wurden UNO-Blauhelme von Soldaten der Roten Khmer entführt. Am 31.Dezember wurden UNO-Stellungen im Nordwesten von den Roten Khmer mit Granaten beschossen; die dortigen Blauhelme mußten evakuiert werden. Am 27.Dezember massakrierten Rote Khmer in einem Dorf 14 Vietnamesen. Schon im November hatte der UNO-Sicherheitsrat ein Wirtschaftsembargo gegen die Roten Khmer verhängt, das am 1.Januar in Kraft trat. Es soll verhindern, daß die Roten Khmer sich weiterhin über Thailand, wo sie Sympathien in der Regierung genießen, durch den Verkauf von Holzkonzessionen finanzieren. Da die UNO aber die Grenze nicht kontrolliert, ist die Wirksamkeit des Embargos vom guten Willen Thailands abhängig – und dieses zeigt sich wenig koooperativ: Am Wochenende zogen mehr thailändische Holzfäller über die Grenze als je zuvor. Eine Korrespondentin des britischen Guardian zählte an zwei Vormittagen 140 mit Baumstämmen beladene Lastwagen an einem einzigen Grenzposten.

Der Rückzug Sihanouks aus dem UNO-Friedensprozeß, wenn er denn real sein sollte, wäre nach den Angriffen der Roten Khmer der zweite schwere Schlag für die UNTAC. Fraglich ist nun, wie die UNO in Kambodscha noch ihr Gesicht wahren kann. D.J.