Ukraine sagt „ja, aber“ zu STARTII

■ Krawtschuk fordert erneut finanzielle Unterstützung/ Weißrußland begrüßt Abrüstungsvertrag

Kiew/Minsk (taz) – Auch die Ukraine scheint nun grundsätzlich bereit zu sein, mit einer Ratifizierung des STARTI-Vertrages den Weg für STARTII freizumachen. Gleichzeitig warnte der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk jedoch davor, auf sein Land Druck auszuüben. Und er wiederholte die Bedingungen für die Verabschiedung der Abrüstungsverträge durch das ukrainische Parlament: Die Atomwaffenmächte müßten Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgeben sowie finanzielle Unterstützung zur Zerstörung des Nuklearpotentials leisten.

Eigentlich hatte die Ukraine schon seit langem erklärt, atomfrei werden zu wollen – eine Forderung der demokratischen Opposition aus Zeiten, als die Ukraine selbst noch gar nicht souverän war. Ein Jahr nach dem Zerfall der Sowjetunion hat sich der Wind jedoch gedreht, und so wird Präsident Krawtschuk nicht nur von nationalistischen Kräften, sondern auch von Seiten der Volksbewegung „Ruch“ sowie liberaler Parteien unter Druck gesetzt: Das atomare As sollte nicht einfach aus der Hand geben werden.

Eine weitere Stärkung erfuhr die breite „Anti-Abrüstungsbewegung“, als bekannt wurde, daß Rußland Uran aus abgerüsteten ukrainischen Atomsprengköpfen für teures Geld in die USA verkauft. Eine „Abgabe“ der Atomwaffen zum Nulltarif kommt für sie nicht in Frage.

Den Wert der 176 strategischen Atomwaffen, die noch in der Ukraine lagern, bezifferte man in Kiew bisher auf knapp 200 Millionen Dollar, ungefähr so viel, wie Washington der Ukraine bereits im Dezember zur Unterstützung einer beschleunigten Abrüstung angeboten hatte. Das Geld kommt aus dem 800-Millionen-Dollar- Fonds, mit dem die atomare Abrüstung der UdSSR-Nachfolgerepubliken gefördert werden soll. Daß Washington oder die Nato darüber hinaus eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine abgeben, gilt unter Diplomaten indessen als unwahrscheinlich.

Mit der Abschlagzahlung für die ukrainischen Sprengköpfe wäre somit allerdings auch ein Präzedenzfall für andere Atomstaaten der ehemaligen Sowjetunion, wie etwa Weißrußland und Kasachstan, geschaffen. Weißrußland hält einstweilen an den Grundpfeilern seiner Außenpolitik fest, wie Außenminister Pjotr Krawtschenko versichert: Neutralität und Atomfreiheit. Jetzt seien die strategischen Waffen Weißrußlands unter der Kuratel der vier Präsidenten Weißrußlands, Rußlands, Kasachstans und der Ukraine: „Nur alle vier können über einen Einsatz entscheiden, und Weißrußland wird sich immer querstellen.“ Der STARTII-Vertrag wurde dann auch in Minsk begrüßt. Zugleich kritisierte der weißrussische Präsident Schuschkewitsch jedoch, daß der Teilnehmerkreis der jüngsten Runde zur nuklearen Abrüstung zu begrenzt gewesen sei, alle Atommächte hätten daran beteiligt werden sollen.

Und auch die Opposition in Minsk kritisiert seit langem, daß Moskau das letzte Wort über die Atomwaffen hat. Walentina Trigubowitsch, außenpolitische Sprecherin der Weißrussischen Volksfront: „Die Offiziere der strategischen Einheiten sind Russen, die weder die weißrussische Staatsbürgerschaft haben noch auf Weißrußland vereidigt sind. In einem der zahlreichen Abkommen mit Rußland, die Weißrußland im Juli geschlossen hat, wurde vereinbart, daß sie noch sieben Jahre in unserem Land bleiben können.“ Laut Krawtschenko hängt es dagegen nur von Weißrußland ab, wann die strategischen Einheiten abziehen – wer recht hat, läßt sich schwer entscheiden, die Abkommen sind geheim.

Dem Beispiel der Ukraine will die weißrussische Regierung nicht folgen, die strategischen Waffen sollen aus dem Land auch ohne Sicherheitsgarantie und Entschädigungen. Konventionell soll das Land im Laufe von fünf Jahren auf 100.000 Soldaten abgerüstet werden. Alles im Sinne der Neutralität. Klaus Bachmann