Wo das Geld nicht stinkt

... oder der Versuch, mit reinem Gewissen Reichtum anzuhäufen/ Mit Verspätung entdecken nun auch die Deutschen das ethische Investment  ■ Von Claudia Mende

Jede fünfte BundesbürgerIn ist heute bereit, niedrigere Gewinne in Kauf zu nehmen, wenn ihr Kapital dann nach ethisch einwandfreien Kriterien angelegt ist. Deshalb machen sich inzwischen auch Banker, Wertpapierhändlerinnen und Unternehmer Gedanken, wie ethisches Handeln und moderne Wirtschaft zusammenzubringen seien und bieten sogenannte ethische Fonds an.

Wenn der Kunde ethische Anleihen will, meint lapidar Werner Homolka, Assistent der Bertelsmann-Geschäftsführung, „dann kommt das Produkt“. Wirtschaftliche Effizienz allein reiche heute nicht mehr aus, um langfristig erfolgreich zu sein. Ethik also als eine neue Marketingstrategie im härter gewordenen Kampf um Marktanteile?

Ethische Fonds sind Wertpapieranlagen, die bestimmten, unterschiedlich weit gefaßten ethischen Kriterien genügen, indem sie eine Beteiligung an Rüstungsgeschäften ausschließen, ökologische und soziale Verträglichkeit beachten oder Zulieferer aus der Dritten Welt fair behandeln. Acht solcher Fonds existieren derzeit auf dem deutschen Kapitalmarkt, bei:

–der Frankfurter Ökobank

–der GLS Gemeinschaftsbank

–der christlichen Ecumenical Development Cooperation Society

–Condorde-Artus

–der Ethischen Investment Köln (Ethik),

–der Gemeinnützigen Kreditgarantiegenossenschaft (GKG)

–der BVT Beratungs- Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft für internationale Vermögensanlagen sowie

–der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (Hypo).

In den USA und Großbritannien sind Ethik-Fonds ein alter Hut. Bereits in den zwanziger Jahren haben amerikanische Quäker dafür gesorgt, daß das Geld aus ihren Pensionskassen nicht in die Rüstungsindustrie floß – eine Bewegung, die während des Vietnamkrieges eine neue Dimension erhielt und heute weit über sogenannte alternative Kreise hinausgeht. Heute gibt es in den USA 50 verschiedene Fonds, die nach ethischen Kriterien anlegen. Eine ähnliche Entwicklung hat in Großbritannien stattgefunden, wo mittlerweile 300 bis 400 Millionen Pfund (900 Millionen bis 1,2 Milliarden DM) ethisch investiert sind. In Deutschland macht das „saubere Investment“ mit einem Volumen von bislang 140 Millionen DM lediglich zwei Prozent des Umsatzes bei Wertpapieren aus.

Die Tücke bei diesen ethischen Geldanlagen allerdings liegt im Detail. Wann ist hundertprozentig auszuschließen, ob ein Maschinenbauunternehmen nicht doch Teile herstellt, die ein Käufer zu Panzern zusammenbauen kann? Arbeitet ein Umwelttechnologie-Unternehmen ökologisch, oder trägt es nur zur Reparatur von Umweltschäden und damit weiter zu umweltschädlichem Verhalten bei?

„Hundertprozentige Lösungen gibt es nicht“, meint dazu Hypo- Manager Thomas Balk. Die bayerische Hypo-Bank hat sich als erste deutsche Großbank an das heikle Thema gewagt und bietet einen Umweltfonds an, der sich derzeit auf ein Volumen von etwa 18 Millionen DM beläuft.

Ziel dieses Fonds ist nach Angaben der Hypo „die Erwirtschaftung eines attraktiven Wertzuwachses durch weltweite Anlagen in ethisch-ökologisch orientierte Unternehmen“, die „sozialverantwortlich wirtschaften“ und „zur Verbesserung der Lebensqualität“ beitragen. Als Beispiel gibt Thomas Balk die Wella AG an, die in der Shampoo- und Körperpflegemittel-Produktion mit nachwachsenden Rohstoffen arbeitet, auf Tierversuche verzichtet und Kunststoffe sowie Verpackungen möglichst reduziert.

Mit der Werbung für ihren Pionier-Umwelt-Fonds hält sich die bayerische Bank merkwürdig zurück. Der Umweltfonds ist laut ihrem verantwortlichem Manager Thomas Balk in erster Linie für einen begrenzten Kundenkreis aus (evangelisch-)kirchlich-karitativen Kreisen gedacht. Deren Vertreter sitzen direkt mit im Anlageausschuß und bestimmen auf diese Weise, welche Papiere überhaupt Aufnahme in den Fonds finden. Balk will damit Diskussionen über die einzelnen Werte verhindern, die er sonst für „endlos“ hält. Mit Hilfe von „persönlichen Unternehmensbesuchen, Präsentationen und Analysen von Wirtschaftsinstituten“ will man eine Entscheidung für diesen begrenzten Kundenkreis treffen. Ein Interesse, den Kreis der Kunden auszuweiten, besteht bei der Hypo offenbar nicht.

Hans Berner, Geschäftsführer von „Ethisches Investment Köln“ (Ethik), bemängelt denn auch, daß es in Deutschland kein unabhängiges Institut gibt, das die nötigen Informationen für eine qualifizierte Entscheidungsfindung beschafft. Aus diesem Grund hat Hans Berner auch lediglich ausländische Papiere in seinem Programm. Das Londoner Ethical Investment Research Service (EIRIS) sorgt beispielsweise im angelsächsischen Raum für die notwendigen Untersuchungen. Aufgrund solcher Informationen entscheidet dann ein siebenköpfiger Ausschuß aus VertreterInnen der Anleger über „ethisch“ oder „nicht ethisch“.

Berners „Ethik“ bietet auf dieser Basis Gemeinschaftsdepots mit Aktien von etwa hundert Firmen an. Unter dem Slogan „Gute Rendite mit einem reinen Gewissen“ versichert Berner, in puncto Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit den herkömmlichen Anlagemöglichkeiten in nichts nachzustehen. Seine Klientel legt laut Kundenbefragungen großen Wert auf Rendite. Und er wirbt mit einer Rendite von durchschnittlich zwölf Prozent in den letzten Jahren.

Berners Wertpapiere stammen aus den Bereichen Abfallvermeidung, Recycling und „sanfte Technologien“. Darunter sind Firmen wie die „California Energy“ (Energie aus Wind, Sonne und Erdwärme) oder das englische Kosmetikunternehmen Body Shop, das ohne Tierversuche arbeitet und seine Rohstofflieferanten aus der Dritten Welt fair behandelt.

Mit einem Jahresumsatz von acht bis zehn Millionen DM ist „Ethisches Investment Köln“ an der bundesdeutschen Börse ein Winzling. Aber die Nachfrage steigt. Für 1992 hatte sich Berner eine Umsatzsteigerung von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent vorgenommen.

Eines kann Hans Berner allerdings nicht verstehen: Warum sich die beiden deutschen Großkirchen beim ethischen Investment so vornehm zurückhalten. Sie könnten als große Kapitaleigner wichtige Zeichen setzen. Doch es gibt Anzeichen dafür, daß vielleicht Bewegung in die Finanzhaushalte kommt.

Eine Vorreiterrolle scheint bei den Katholiken die Diözese Münster einzunehmen. Norbert Kleyboldt, Finanzchef der Diözese, gab auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie in Tutzing zu, „blauäugig gehandelt und unsere Anlagepraxis den Banken überlassen“ zu haben. Für die Zukunft gelobte er Besserung: „Wir sind offen für Überlegungen, einen innerkirchlichen Ethikfonds aufzulegen.“