Keine Bewährung für Sexualtäter

■ Ein 33jähriger ehemaliger Erzieher wurde wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einem Jahr Gefängnis verurteilt / Seine früheren Versuche, eine Therapie zu machen, waren kläglich gescheitert

Moabit. „Es tut uns leid, aber die Rechtslage ist nun einmal so, daß eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich war.“ Mit diesen Worten begründete gestern der Vorsitzende der 13. Strafkammer des Landgerichts das Urteil von einem Jahr Haft gegen einen 33jährigen ehemaligen Erzieher, der einen neunjährigen Jungen in seiner Wohnung sexuell mißbraucht hatte. Doch es war nicht diese Tat, die den Angeklagten in den Knast brachte, sondern seine einschlägigen Vorstrafen.

Der 33jährige Klaus K. war 1986 zum ersten Mal wegen sexuellen Mißbrauchs von mehreren kleinen Jungen im Alter zwischen sechs und sieben Jahren verurteilt worden. Der Angeklagte, der damals noch Erzieher war, hatte seinen körperlich und geistig behinderten Pflegesohn mißbraucht, indem er Oralverkehr mit dem Kind durchführte und den Jungen nackt fotografierte. Außerdem hatte er anderen Jungen in Hausfluren aufgelauert, ihnen den Hosenschlitz geöffnet und ihr entblößtes Genital fotografiert. Das Gericht verurteilte Klaus K. damals zu einer zweijährigen Haftstrafe, die mit der Maßgabe zur Bewährung ausgesetzt wurde, eine Therapie zu machen. Ferner wurde ihm verboten, weiterhin als Erzieher zu arbeiten. Klaus K.s Versuch, eine Therapie zu beginnen, scheiterte jedoch kläglich. Der erste Therapeut, ein Arzt der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik (KBON), eröffnete ihm nach vier Sitzungen, daß er nach Westdeutschland gehe. Der zweite Therapeut am Forensischen Institut brach die Behandlung nach wenigen Stunden mit der Begründung ab, Klaus K. habe „eine Sperre“. Er solle wiederkommen, wenn es ihm schlecht gehe. Klaus K. versuchte es noch ein drittes Mal bei der Beratungs- und Therapiestelle „Kind im Zentrum“, wurde aber nicht aufgenommen, weil die Einrichtung auf Täter-Opfer-Therapien spezialisiert ist. „Danach habe ich aufgeben und versucht, allein herauszufinden, warum ich so auf Kinder reagiere“, sagte der Angeklagte gestern vor Gericht. Weit gekommen sei er damit aber nicht, er habe keine innere Ruhe gefunden.

In den folgenden Jahren machte Klaus K. erneut Aktfotos von kleinen Jungen. Die Verfahren wurde jedoch eingestellt. 1991 verurteilte ihn das Amtsgericht zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, wieder hatte er sich Knaben sexuell genähert, dabei aber nie unmittelbare körperliche Gewalt angewendet. Die letzte Tat, die ihn jetzt ins Gefängnis brachte, geschah im vergangenen Sommer. Diesmal hatte er einen neunjährigen Jungen, den er im Ostberliner FEZ kennengelernt hatte, mit zu sich nach Hause genommen und mit ihm Oralverkehr durchgeführt.

In einem gestern verlesenen psychiatrischen Gutachten aus dem Jahr 1986 hatte der Chefarzt der KBON, Werner Platz, dem überdurchschnittlich intelligenten Klaus K. „Pädophilie“ attestiert. Es sei aber ein „Therapieansatz“ vorhanden, befand Platz damals. Was nun aus ihm werden solle, nachdem er seither „rückfällig“ geworden sei, fragten die Richter den Angeklagten. Er wolle es auf jeden Fall noch einmal mit einer Therapie versuchen, antwortete dieser. Er habe bislang geglaubt, in Berlin alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, und habe erst in der U-Haft erfahren, daß die Charité eine Therapie für Sexualstraftäter anbiete. Auch sein Verteidiger Lothar Riegel appellierte an das Gericht, die Strafe doch noch einmal mit der Auflage einer Therapie zur Bewährung auszusetzen. „Andernfalls ist mein Mandant nach der Haftentlassung an dem gleichen Punkt wie jetzt, weil in der Zwischenzeit nichts passiert.“ Die Richter weigerten sich jedoch: Klaus K. habe den Abbruch der früheren Therapie „selbst mit verschuldet“. Der Chefarzt der KBON, Werner Platz, bestätigte gestern auf Nachfrage der taz, daß im Knast in therapeutischer Hinsicht kaum etwas mit den Sexualstraftätern geschehe. Aber auch draußen ließe die ambulante Versorgung im Gegensatz zu Ländern wie Kanada und Holland sehr zu wünschen übrig. „Unsere Gesellschaft“, so Platz, „verdrängt und tabuisiert das Problem“ und bestrafe sich damit letztendlich selbst. Plutonia Plarre