Polit-Schach up to date

■ Eine zeitgemäßere Variante des Spiels der Spiele für drei Personen erfreut sich in Neuseeland großer Beliebtheit

Christchurch (taz) – Drei Damen und sechs Läufer sind unterwegs, und sie legen bisweilen abenteuerliche Wege zurück. Jeder Spieler hat zwei Türme und zwei Pferde, sieht sich aber der jeweils doppelten Zahl gegenüber. Und erst wenn der zweite König matt ist, steht ein Sieger fest. Von Schach ist die Rede, von einer neuen Variante für drei Spieler allerdings: Richard Goode, Student aus Neuseeland, hat sich beim „hirnmarternden, aber oft vorhersehbaren“ Normalschach gelangweilt und das neue Spiel mit dem schönen Namen „Trichotomy“ erfunden. Es sei, loben die Fernsehnachrichten im Lande der Kiwis, „die dickste Sache seit Rubys Zauberwürfel“ und prophezeien gleich einen weltweiten Siegeszug.

Auf den ersten Blick ist völlig unübersichtlich, was die insgesamt 48 Figuren (die sich alle wie beim richtigen Schach bewegen) so anstellen. „Durchgängig chaotisch“ sei das Spiel, heißt es entsprechend kühn in der Bedienungsanleitung, und es biete „absolute Anarchie“: Schon die Spielfelder (weiterhin zweidimensional) gleichen mehr einer hübschen Mandala-Zeichnung denn einem Schachbrettmuster, dem Inbegriff für Geradlinigkeit und perfekte Ordnung. Selbst Türme laufen scheinbar in Kurven und um Ecken, und Damen können aus einzelnen Positionen – besonders bedrohlich – gar Kreise ziehen. Anything goes, so scheint's: Man kann einen Gegner ganz konventionell von vorn angreifen, wird aber möglicherweise gleichzeitig vom dritten von hinten attackiert. Theoretisch kann man sogar mit einem Zug zwei Könige gleichzeitig mattsetzen – der absolut geniale kaiserliche Zug im königlichen Spiel. So weit, so pfiffig.

Doch Trichotomy bietet noch weit mehr. Die Figuren der dritten Partei haben die grüne Farbe. Ausgerechnet grün als neue Herausforderung für das gewohnte Schwarzweiß-Denken beim Neuschach – ganz wie im richtigen Leben: Schwarz und Weiß als Gegenpole, als Synonym für Gut und Böse – das gilt schließlich nicht mehr in der Welt der 90er Jahre. Politisch herrscht anarchistisches Chaos vielerorts: Undurchsichtige und immer neue Regionalkonflikte bestimmen das Zeitgeschehen – und das Trichotomy-Spiel. Genüßlich kann man die eigenen Reihen ordnen, während sich die beiden anderen in einer Ecke gerade wüst bekriegen, um dann aus strategisch klug aufgebauter Position nachzuattackieren, wenn nicht ein anderer doch schneller war. Das Dreier-Schach ist ein Spiel knallharter Machtpolitik und Rücksichtslosigkeit, das andere nicht mehr als gleichberechtigtes Gegenüber, sondern auch als gnadenlos ausnutzbaren Scheinfreund sieht: „Bilden Sie“, so die Spielhinweise, „zeitweise Allianzen mit einem der anderen – aber sehen Sie zu, sie zu brechen, sobald es Ihnen einen Vorteil bringt.“ Und: „Schützen Sie den schlechteren Spieler, er kann Ihrem stärkeren Gegenüber immer noch Schaden zufügen.“

So gesehen ist Trichonomy das ideale, weltweit und multikulturell einsetzbare Spiel zur Vorbereitung auf die schweren Herausforderungen der Zukunft – perfekt zugeschnitten für alle Politiker, Diplomaten, Konzernherren, Geschäftsleute und ähnlich zwielichtiges Gesindel. Bernd Müllender