Höhere Mieten für die Ärmsten

■ In Sozialwohnungen in Saarbrücken steigen die Mieten in vier Monaten um 60 Prozent – formal ganz legal

Saarbrücken (taz) – Vor zehn Jahren erhielten die Bewohner der neuen Sozialwohnungen am Saarbrücker Matzenberg prominenten Besuch: Ihr damaliger Oberbürgermeister Oskar Lafontaine stand vor der Tür und fragte in der ihm eigenen Bescheidenheit: „Haben wir das nicht gut gemacht?“ Die Menschen aus dem Saarbrücker „Armenviertel“ hatten jahrelang in baufälligen Bretterbuden gehaust. Nun wohnten sie „endlich mal warm und trocken“ in von der Stadt renovierten ehemaligen Schlafhäusern für Stahlarbeiter – und das zu erschwinglichen Mieten. Doch nun bittet der Vermieter der Wohnungen, die städtische Siedlungsgesellschaft, zur Kasse: Innerhalb von vier Monaten wurden den 65 Haushalten Mieterhöhungen von bis zu 60 Prozent präsentiert. Eine fünfköpfige Familie muß nun für 80 Quadratmeter Wohnfläche auf einen Schlag 780 statt bisher 490 Mark monatlich aufbringen. Außerdem müssen die Bewohner mit zusätzlichen Steigerungen von knapp einer Mark pro Quadratmeter in naher Zukunft rechnen. „Wir wissen nicht mehr, was wir machen sollen“, klagt Ruth Dauster von der Bürgerselbsthilfe Matzenberg.

Niemand will die Schuld für die Erhöhungen übernehmen: Die Siedlungsgesellschaft verweist auf höhere Kosten und den Wegfall von städtischen Zuschüssen. Der Stadrat sieht sich angesichts leerer Kassen nicht mehr in der Lage, die Wohnungen zu subventionieren. Juristisch ist das Vorgehen der Vermieter korrekt. Zwar dürfen laut Gesetz Mieten innerhalb von drei Jahren nur um höchstens 30 Prozent steigen, doch den Wegfall von Subventionen müssen die Mieter wie hier zusätzlich ausgleichen. Seit September ist die erste Erhöhung fällig, ab Januar sollen die Bewohner dann erneut mehr zahlen.

Gerade im Winter trifft dies die Siedlung besonders hart: Viele arbeiten in der Baubranche, und da ist jetzt saisonbedingt Flaute. Die Folge: Drei Haushalten droht bereits die Räumung. Ruth Dauster fürchtet, „daß es noch mehr werden“. Wohngeld sei für viele keine Lösung, „weil man dann doch knapp über der Grenze liegt“. Immerhin zwei Jahre lang will die Stadt noch 0,54 Mark pro Quadratmeter zur Miete zuschießen. Den Hinweis, mit Mieten von nicht mal zehn Mark pro Quadratmeter noch vergleichsweise billig zu wohnen, lassen die „Matzenberger“ nicht gelten. Denn schließlich wohnen sie in einem Bergschadensgebiet, was Besuchern sofort ins Auge fällt: Risse in den Mauern und schwarze Wände. Ständig gibt es Rohrbrüche und damit Wasser in der Wohnung. Schränke und Türen lassen sich nicht mehr schließen. „Und dann dauert es monatelang, bis sich das jemand ansieht und repariert“, klagen die Bewohner.

Die Menschen am Matzenberg fürchten jetzt die alten Zeiten wieder – „mit den Schlägereien und so“. Jahrelang ist es hier gut gelaufen, dank Bürgerselbsthilfe und dem Gemeinwesenprojekt des Diakonischen Werkes. Doch in einem Jahr sollen die Betreuer vom Matzenberg abgezogen werden. „Die Menschen hier“, sagt Sozialpädagogin Gabi Bernd, „sind zum Spielball geworden.“ Frank Thewes