"Sowas mach ich nicht noch einmal"

■ Ein Rentner wollte eine warme Wohnung, und ein Bestechungsversuch endete vor dem Kadi / 1000 Mark werden einkassiert

endete vor dem Kadi / 1000Mark werden einkassiert

Der Frührentner Josef W. wohnt im zehnten Stock eines Hochhauses, er hat Durchblutungsstörungen in den Beinen. Die Fußbodentemperatur in seiner Wohnung bewegt sich oft nahe der Frostgrenze. Wer kann es dem leise-schüchternen Rumänen da verdenken, wenn er sich unter Einsatz aller erdenklichen Mittel ein neues Heim beschaffen will.

1000 in einen Briefumschlag gesteckte Mark wollte der 58jährige seinem Sachbearbeiter im Bezirksamt Mitte angedeihen lassen. Gestern mußte er sich wegen Vorteilsgewährung vorm Amtsgericht verantworten. Denn besagter Beamte, Frank M., konnte diese Sache, korrekt wie er nun einmal ist, nicht auf sich beruhen lassen.

Mühsam hatte sich der Angeklagte das Bestechungsgeld vom Munde abgespart. Seine Einkünfte: 1238 Mark Rente und satte 38 Mark Wohngeld. Für seine Behausung in Niendorf muß er 500 Mark Miete im Monat berappen — kalt. Plus Strom und Heizung — immer noch kalt.

Als W. dann im Bezirksamt Mitte einen Antrag auf Anerkennung als vordringlich Wohnungssuchender stellte, begegnete er dort dem 30jährigen Frank M., der gestern als einziger Zeuge aufrat. Zuerst lief alles ganz normal, der Beamte erklärte W., er müsse erst einmal ein Attest beibringen. Dann würden sich Gesundheits- und Wohnungspflegeamt weiter um die Angelegenheit kümmern. Letzten Endes würde dann die Dienststelle über seinen Antrag auf Wohnungstausch befinden. Der Angeklagte habe dann wohl gedacht, er, M., wäre entscheidungsbefugt, und ihm den Briefumschlag über den Tisch geschoben. Als er den Frührentner darauf hinwies, daß sein Verhalten nicht zulässig sei, gar strafbar, habe sich dieser nicht um diesen Hinweis geschert und sei aus dem Zimmer gegangen.

Man merkte dem Zeugen die Aufregung noch immer an. Er war dann zu seinem Vorgesetzten gelaufen, der in seinem Beisein dann den Briefumschlag geöffnet hatte. Danach eilte er zur Staatsanwaltschaft; die Möglichkeit, W. über den Fehler noch einmal aufzuklären — das Deutsch des Angeklagten ist eher mäßig — zog er offenbar nicht in Erwägung.

Auch der Staatsanwalt schien nicht an Gnade zu denken. 30 Tagessätze a 40 Mark zuzüglich der Einbehaltung des Bestechungsgeldes erschienen ihm die angemessene Strafe zu sein — für einen nicht vorbestraften Mann, der eigentlich nur warme Füße haben

1will.

Der Richter ließ sein Urteil dann aber etwas milder ausfallen: Die tausend Mark wurden einbehalten, die vom Staatsanwalt geforderte

1Geldstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit einem „Ja, sowas mach ich nicht nochmal!“ nahm der Angeklagte denn auch ohne Murren das Urteil an. gag